23.01.2013 12:30:32

Institutionelle Investoren sehen Managementfehler bei Siemens

   Von Ursula Quass

   Dem Siemens-Management weht auf der Hauptversammlung ein eisiger Wind entgegen. Führende Fondsmanager werfen dem Führungsteam um Konzernchef Peter Löscher wegen der schwachen Marge und einer ganzen Reihe negativer Überraschungen im vergangenen Jahr Managementfehler vor. Daran ändere auch der etwas besser als erwartete Jahresstart nichts. Siemens wolle auf Teufel komm raus wachsen, zu Lasten der Rendite.

   Das Industriekonglomerat sei im vergangenen Jahr "mit voller Kraft in die konjunkturelle Abschwächung hinein gesegelt", poltert Union-Investment-Portfoliomanager Ingo Speich. Erst im Sommer sei der schwerfällige Tanker neu ausgerichtet worden. "Warum hat das so lange gedauert, Herr Löscher", fragte er laut Redetext. "Liegt der Grund in den divergierenden strategischen Ansichten innerhalb des Managements?"

   Die Entwicklung der vergangenen 18 Monate sei "einfach nur noch enttäuschend", fasst Henning Gebhardt von der Fondsgesellschaft DWS Investment seine Kritik zusammen. Möglicherweise sei der Konzern aufgrund seiner Größe einfach nicht zu steuern. "Oder ist der Konzern einfach nicht straff genug gemanagt", fragte er.

   Siemens-Boss Löscher war im Juli 2007 angetreten und kam zuletzt immer mehr unter Druck. Der Großkonzern wurde quasi zur Dauerbaustelle: Das Portfolio wird in vielen Bereichen neu geordnet, es wird zu- und verkauft. Seit dem vergangenen Jahr setzt Löscher auf die Stärkung des Kerngeschäfts und dem Abstoßen von weniger rentablen Bereichen. Seinen Ruf als erfolgreicher Erneuerer droht Löscher bei vielen Beobachtern zu verspielen. Die Kritik der Fondsmanager auf der Hauptversammlung spiegelt die Enttäuschung vieler Siemens-Aktionäre wider.

   Der Österreicher selbst will von der Kritik aber nichts wissen. Es wird keine Veränderung am Management-Stil geben, sagte Löscher am Mittwoch. Das Management-Team arbeite gut und eng zusammen.

   Ob sich die kritischen Aktionäre damit zufrieden geben, ist mehr als fraglich. Seit Peter Löschers Amtsantritt als Vorstandschef im Juli 2007 bis Ende 2012 sei der Siemens-Kurs um 10,7 Prozent "deutlich stärker" gefallen als der DAX, rechnete Fondsmanager Speich vor. "Der Grund liegt maßgeblich in der Profitabilität von Siemens begründet." Während Wettbewerber wie General Electric ihre Marge auf 15,5 Prozent gesteigert hätten, habe sich bei den Münchenern die operative Marge im abgelaufenen Geschäftsjahr von 12,3 Prozent auf 9,5 Prozent verschlechtert. "In der Champions League, Herr Löscher, hätte Siemens mit den zuletzt gezeigten Leistungen nicht einmal die Gruppenphase überstanden. Das kann nicht Ihr Anspruch sein!"

   Möglicherweise liegt die Ursache darin, dass ein ambitioniertes Umsatzziel von 100 Milliarden Euro ausgegeben wurde. "Wir haben gesehen, wohin das führt: Die operativen Einheiten wollen auf Teufel komm raus wachsen, die Kosten sind explodiert und die Profitabilität ist auf der Strecke geblieben. Weiß der Zentralvorstand überhaupt, was in den operativen Einheiten passiert? Den Eindruck hat man nicht unbedingt", so Speich.

   Die Liefer- und Produktionsschwierigkeiten beim neuen ICE für die Deutsche Bahn seien eine symptomatische Entwicklung: "Zusagen bis zuletzt halten, um dann festzustellen, dass es doch nicht geht." Womöglich sei die Wachstumsstrategie mit dem geplanten sechs Milliarden Euro schweren Kostensenkungsprogramm bis 2014 gescheitert und das 100-Milliarden-Ziel damit vom Tisch. Zwar sehe Union Investment die Notwendigkeit, Kosten zu reduzieren. Jedoch sei ein "so abrupter Strategieschwenk von 'Gas geben' auf 'Vollbremsung' für die Unternehmenskultur und letztlich die Steuerung des Unternehmens hoch riskant".

   Gebhardt sprach von einer "typischen Siemens-Reaktion auf unterdurchschnittliche Entwicklungen". Leider sei das vergangene Jahrzehnt immer wieder von regelmäßig neuen Programmen und einem "Anziehen der Zügel" geprägt gewesen. Das Umsatzziel von 100 Milliarden Euro sei aber "selbst mittelfristig zu ehrgeizig und mit organischem Wachstum nicht zu schaffen".

   "Größe ist nicht alles, Siemens tut sich damit keinen Gefallen", so Fondsmanager Speich. In die gleiche Richtung geht die Kritik von Gebhardt. Man werde mit Blick auf neue Projekte den Eindruck nicht los, dass vieles vor allem auch deshalb gemacht werde, um Größe zu gewinnen. "Wir erwarten Wachstum, aber bitte keines, das über Marge erkauft wird", betonte der DWS-Manager.

   In diesem Zusammenhang forderte der Fondsmanager auch eine Änderung des Vergütungssystems. Die variable Vergütung an Umsatzgrößen zu koppeln sei "grundfalsch". Dadurch werde "eventuell nur ein Anreiz gesetzt, Größe vor Profitabilität zu stellen". Besser sei es, die Ziele des Managements für das Ziel- und Folgejahr an die EBIT-Marge zu binden. Auch, dass alle Bereichsvorstände fast die gleiche variable Vergütung haben, stellte Gebhardt in Frage. Müsste etwa das "Desaster in der Nordsee" infolge der Probleme bei der Anbindung der dortigen Offshore-Windparks nicht Auswirkungen auf die Vergütung des Bereichsvorstandes Energie haben, fragte er.

   Auch der Aufsichtsrat ist vor Kritik nicht gefeit. Zwar stellt die DWS die Qualifikation und Zusammensetzung des Kontrollgremiums nicht in Frage. "Allerdings sehen wir, dass bei der heutigen Wahl eine große Chance vergeben wurde, den Aufsichtsrat für die Zukunft auszurichten." Ähnlich argumentiert auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

   Union-Investment-Vertreter Speich bemängelte, dass die vor einem Jahr geforderte Reduktion der Mandatezahl immer noch nicht erfolgt ist. Er kündigte daher an, gegen die Wiederwahl von Allianz-Chef Michael Diekmann und Nicola Leibinger-Kammüller - geschäftsführende Gesellschafterin und Vorsitzende der Geschäftsführung beim Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf - zu stimmen. Aus demselben Grund lehnen Union Investment und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) auch GDF-Suez-Chef Gérard Mestrallet ab, der erstmals in den Siemens-Aufsichtsrat einziehen soll.

   Die US-Investorenberatungsfirma Glass Lewis empfiehlt, Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wie auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nicht wiederzuwählen.

   Kontakt zur Autorin: ursula.quass@dowjones.com

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   January 23, 2013 06:00 ET (11:00 GMT)

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