10.01.2013 18:10:30

Aktionärsberater gegen Entlastung der ThyssenKrupp-Gremien

   Von Hendrik Varnholt

   Vor der Hauptversammlung des Stahlkonzerns ThyssenKrupp gerät der Aufsichtsrat des Unternehmens immer stärker in die Schusslinie der Aktionäre: Nun empfiehlt auch das Beratungsunternehmen ISS seinen Kunden, das Gremium nicht zu entlasten. In einem an institutionelle Investoren versandten Papier kritisieren die Investorenberater unter anderem die nach ihrer Ansicht späte Reaktion des Aufsichtsrats auf die Schwierigkeiten beim Bau der Stahlwerke in Brasilien und dem US-Staat Alabama. ISS spricht sich auch gegen die Entlastung des Vorstands aus. Die Berater zielen damit aber auf die schon im Dezember entlassenen Mitglieder des Führungsgremiums.

   Vor den ISS-Analysten hatten sich schon Vertreter von Kleinaktionären gegen die Entlastung des Aufsichtsrats und des Vorstands ausgesprochen: Sowohl die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) als auch der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre reichten für die Hauptversammlung am 18. Januar entsprechende Gegenanträge ein.

   Die DSW beantragte zwar, außer dem Aufsichtsrat nur den entlassenen Vorständen Olaf Berlien, Edwin Eichler und Jürgen Claassen die Entlastung zu verweigern. Sie rief aber dazu auf, den ganzen Vorstand nicht zu entlasten, falls während der Hauptversammlung nicht einzeln über die Arbeit der Vorstandsmitglieder abgestimmt wird. Auch die ISS-Berater weisen in ihrem Papier darauf hin, dass die Tagesordnung nur die Entlastung oder Nichtenlastung des ganzen Vorstands vorsehe. Sie nehmen die amtierenden Vorstände von ihrer Kritik aus.

   ISS gibt dem ThyssenKrupp-Aufsichtsrat in seinem Bericht eine "Mitverantwortung für bedeutende strategische Entscheidungen". Die Anteilseigner erwarteten von dem Kontrollgremium "schnelles und entschiedenes Handeln in Krisensituationen", schreiben die Berater. Ende 2012 habe der Aufsichtsrat erkannt, dass die Schwierigkeiten mit den amerikanischen Stahlwerken durchgreifende Veränderungen im Konzern nötig machten. Die Berater fragen: "Warum dauerte es so lange, wenn der Aufsichtsrat schon im Mai 2008 von alarmierenden Budget-Überschreitungen wusste?"

   Die Empfehlung zur Nichtentlastung des Vorstands begründen die ISS-Beobachter mit den laufenden Untersuchungen wegen mehrerer dubioser Vorgänge. Sie kritisieren vor allem Ex-Vorstand Jürgen Claassen und verweisen auf Ermittlungen wegen der Abrechnung von Dienstreisen.

   Das Beratungsunternehmen ISS gilt als einflussreich. Das Unternehmen berät nach eigenen Angaben weltweit rund 1.300 institutionelle Investoren. Die Berater stimmen auf Hauptversammlungen aber nicht im Namen ihrer Kunden.

   Die Entlastung der ThyssenKrupp-Gremien scheint trotz der Empfehlungen von ISS und der Gegenanträge von Aktionärsschützern nicht in Gefahr: Auf der Hauptversammlung des Konzerns entscheidet üblicherweise das Votum der Krupp-Stiftung, die etwas mehr als 25 Prozent an ThyssenKrupp hält. Auf der Hauptversammlung des vergangenen Jahren waren insgesamt rund 65 Prozent des Grundkapitals vertreten. Die ISS-Berater selbst beschreiben die empfohlene Nichtenlastung als "symbolischen Schritt". Juristisch habe sie praktisch keine Bedeutung. Sie sende aber ein "klares Signal".

   ThyssenKrupp hat als Reaktion auf die Gegenanträge der Aktionärsschützer auf juristische Prüfungen der Aufsichtsratsarbeit hingewiesen. Sie seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufsichtsräte ihre Pflichten im Zusammengang mit den amerikanischen Stahlwerken "zu jedem Zeitpunkt eingehalten haben", schrieb ThyssenKrupp in einer Stellungnahme für die Aktionäre. Ein Sprecher lehnte weitere Kommentare zu der Aktionärskritik ab.

   Wegen der dramatischen Probleme beim Aufbau seiner Stahlwerke in Brasilien und dem US-Staat Alabama hat ThyssenKrupp Milliarden abgeschrieben. Die Werke stehen nun mit einem Wert von 3,9 Milliarden Euro in den Büchern. ThyssenKrupp hatte rund 12 Milliarden Euro für die Produktionsstätten ausgegeben. Der Konzern ist bemüht, sie zu verkaufen.

   Kontakt zum Autor: hendrik.varnholt@dowjones.com

   DJG/hev/kla

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   January 10, 2013 11:29 ET (16:29 GMT)

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