Erwartungen zu hoch 28.11.2012 10:08:00

Swiss Life greift auch bei AWD Österreich durch

Der - ramponierte - Markenname wird ersetzt, bis zu 400 Jobs werden in Deutschland und der Schweiz gestrichen. Auch bei AWD Österreich greifen die Schweizer erneut durch, nachdem der Wien-Zentrale bereits Ende 2010 die Kompetenz für Osteuropa entzogen wurde. Zu einem Stellenabbau soll es hierzulande aber nicht kommen, versicherte Swiss-Life-Sprecherin Irene Fischbach am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

AWD Österreich wird ab April ebenfalls unter dem Namen "Swiss Life Select" auftreten. Die Gesellschaft bleibt zwar bestehen, kommt aber gemeinsam mit den derzeitigen AWD-Gesellschaften Großbritannien (UK), Tschechien und Polen unter das Dach der Swiss Life International mit Sitz in Zürich. Der Chef von AWD-Österreich, Eric Samuiloff, sowie sein UK-Kollege stoßen dann zum Swiss-Life-International-Führungsteam, das von Nils Frowein geleitet wird. Statt ins bisherige AWD-Headquarters in Hannover werde Samuiloff jetzt direkt nach Zürich berichten, so Fischbach.

Samuiloff war per März 2011 zum AWD-Österreich-Chef aufgerückt, um den Finanzdienstleister wieder auf Vordermann zu bringen. Sein Vorgänger Ralph Müller, zuvor Vorstand bei der Bank Austria, war nach kurzer Zeit an der AWD-Spitze zur Wiener Städtischen gewechselt.

Der AWD ist in Österreich wegen des Verkaufs von Immobilienaktien seit langem in den Negativschlagzeilen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Namen von rund 2.500 mutmaßlich Geschädigten Sammelklagen im Gesamtstreitwert von 40 Mio. Euro eingebracht. Zeitweise haben sich die Verbraucherschützer und der Finanzdienstleister nicht nur vor Gericht, sondern in aller Öffentlichkeit nahezu täglich befetzt, jetzt ist es - zumindest medial - ein bisschen ruhiger geworden. Die Verfahren laufen aber nach wie vor.

Swiss Life hat sich in puncto Klagen gegen AWD stets wortkarg gegeben. Das wird wohl auch so bleiben. "An unserer Strategie zu den Klagen ändert sich überhaupt nichts", sagte Fischbach. "Wird werden die Verfahren weiterhin sorgfältig prüfen und behandeln." Will heißen: An einem Generalvergleich ist man in der Schweiz nach wie vor nicht interessiert, weiterhin werden die Fälle als Einzelfälle gesehen. Der VKI wirft dem AWD ja systematische Fehlberatung vor, die Berater hätten, getrieben von hohen Provisionen, kleinen Sparbuchsparern in großem Stil Immofinanz- und Immoeast-Aktien angedreht, sie aber nicht oder nur unzureichend über die Risiken aufgeklärt, so der stets vehement dementierte Vorwurf.

Infolge des Kurssturzes bei Immofinanz und Immoeast haben tausende Kleinanleger viel Geld verloren, viele von ihnen sind gegen den AWD vor Gericht gezogen.

Swiss-Life-Chef Bruno Pfister gestand heute in einer Medienmitteilung "selbstkritisch" ein, "dass wir die Wachstumsmöglichkeiten in Osteuropa und Österreich überschätzt hatten". Die "Neueinschätzung der künftigen Ertragskraft von Swiss Life Select beziehungsweise der bisherigen AWD-Einheiten vor allem in Osteuropa und Österreich sowie die angepassten Pläne in Deutschland" führten auch zu der Abschreibung auf AWD in Höhe von 576 Mio. Franken (478 Mio. Euro), die im vierten Quartal 2012 vorgenommen werden soll.

Aus Ungarn und der Slowakei zieht sich der AWD per Jahresende ganz zurück. In den beiden Ländern konnte der Finanzvertrieb nie wirklich Fuß fassen. Die Märkte seien "schwierig", die "Wachstumsprognosen eingeschränkt", so Fischbach. Die AWD-Gesellschaften Slowakei und Ungarn seien vergleichsweise klein mit jeweils rund 20 Mitarbeitern.

Was sich die Schweizer künftig von AWD Österreich erwarten, wollte Fischbach nicht sagen. 2011 setzten AWD Österreich und die CEE-Gesellschaften gemeinsam rund 64 Mio. Euro um. In Österreich beschäftigt AWD momentan rund 420 Berater und 90 Personen im Innendienst, so Fischbach. Am Mitarbeiterstand werde sich nichts ändern.

Im Gefolge der Finanzkrise respektive der Probleme mit Kundenklagen hatten viele externe Berater dem AWD den Rücken gekehrt. Viele hatten diese Tätigkeit nur für kurze Zeit und nebenbei ausgeübt.

Mit dem Auffliegen diverser Anlegerskandale sind Finanzberater allgemein ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, da sie, vielfach ohne Ausbildung und ausschließlich von Verkaufsprovisionen lebend, komplizierte Finanzprodukte an den sprichwörtlichen kleinen Mann gebracht haben, der ansonsten vielleicht nur auf (sichereres) Bausparen gesetzt hätte. AWD hat hier bereits Besserung gelobt und bildet seine Leute intern aus. In Österreich seien schon jetzt mehr als 90 Prozent der Berater gewerbliche Vermögensberater, so Fischbach. "Bei keiner anderen Gesellschaft ist dieser Anteil so hoch."

An den Produkten, die AWD Österreich künftig verkaufen wird, werde sich nichts ändern, so die Konzernsprecherin. Sie betonte außerdem auf Nachfrage, dass "die Reputation nicht der Hauptgrund für den Markenwechsel" sei. "Österreich steht nicht im Fokus dieser Geschichte", Swiss Life habe sich dafür entschieden, "dass die Marktbearbeitung aus einer Hand erfolgen soll".

AWD Deutschland und AWD Schweiz werden zusammengeführt, im Zuge dessen fallen bis zu 400 Jobs weg, davon 300 in Deutschland. Die restlichen AWD-Gesellschaften kommen alle zur Markteinheit International, die auch reiche Privatkunden betreut.

Der VKI betrachtet den Markenwechsel mit Argwohn: "Es hat den Anschein, dass die Swiss Life durch diesen Namenswechsel versucht, die Altprobleme des AWD billig zu entsorgen", so VKI-Chefjurist Peter Kolba in einer Aussendung. Die tausenden AWD-Geschädigten wüssten jedoch genau, dass es der Schweizer Versicherer seit den ersten Klagen im Jahr 2009 in der Hand gehabt hätte, "diese Probleme unbürokratisch zu lösen." Stattdessen habe man darauf gesetzt, die Verfahren möglichst lange zu verzögern. "Ein reiner Namenswechsel lässt dies nicht vergessen und ist auch für sich allein kein glaubwürdiger Neubeginn", kritisiert Kolba.

Die eigentlichen Verhandlungen zu den Sammelklagen haben noch immer nicht begonnen, da seit Jahren über juristische Metathemen gestritten wird. Derzeit beschäftigt sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage, ob die Prozessfinanzierung in Österreich zulässig ist; der AWD hatte einen entsprechenden Rekurs beim Oberlandesgericht (OLG) Wien eingelegt, dieses hatte die Prozessfinanzierung laut VKI für ok befunden. Der OGH-Entscheid soll laut Kolba "in den nächsten Monaten" vorliegen.

snu/ivn

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