02.03.2015 15:40:30
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Merkel wirbt für mehr private Investitionen in Europa
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)-- Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bei einer Konferenz zur Investitionsfinanzierung in Europa für eine größere Mobilisierung privaten Kapitals stark gemacht. Eine Zunahme öffentlicher Verschuldung für mehr Investitionen lehnte sie aber kategorisch ab.
"Wir müssen den Rahmen schaffen, um private Investitionen auf den Weg zu bringen", sagte Merkel. Bei der Tagung der Europäischen Investitionsbank (EIB) zum Thema "Impulse für Europa" lobte die Bundeskanzlerin die von der EU-Kommission vorgeschlagene Investitionsoffensive über 315 Milliarden Euro. "Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass dieser Paradigmenwechsel auch ein erfolgreicher Paradigmenwechsel wird", betonte sie.
Ausdrücklich beharrte Merkel aber darauf, dass sich die EU-Staaten nicht noch stärker verschulden dürften, um die dringend notwendigen Investitionen in Zukunftsbereichen wie der digitalen Infrastruktur auf den Weg zu bringen. "Ich persönlich bin zutiefst davon überzeugt, dass Haushaltskonsolidierung und Wachstum keine Gegensätze sein müssen", sagte die Kanzlerin. "Es wäre nichts gewonnen, wenn wir das eine gegen das andere ausspielen, wir sollten uns an die von uns selbst gesetzten Regeln halten."
In einem am Wochenende veröffentlichten Video-Podcast hat Merkel bereits gefordert, das geplante Investitionsprogramm der EU durch bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen sowie durch Bürokratieabbau zu ergänzen. Das Steuersystem dürfe Investitionen nicht verhindern, verlangte sie und begrüßte ausdrücklich, dass die Mittel über die EIB investiert werden sollen. "Diese Bank verfügt über Erfahrungen," erklärte Merkel. "Sie weiß, wo Investitionen lohnend sind, wo man auch noch zusätzlich privates Kapital einwerben kann."
Merkel plädierte mit Nachdruck für "zukunftsfähige Investitionen". Die Bundeskanzlerin nannte Investitionen in den Breitbandausbau und im Forschungsbereich.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der die Investitionsoffensive Ende November 2014 vorgeschlagen hatte, warnte bei der Konferenz in Berlin davor, dass sich die europäischen Länder sich für die Investitionen erneut verschuldeten. "Es geht darum, privates Kapital, das es zur Genüge gibt, in einem ordentlichen, auch ordnungspolitisch einwandfreien Verfahren zur Landung zu bringen", erklärte er. Seit Beginn der Eurokrise seien die Investitionen um 15 Prozent gesunken. "Die Europäische Union befindet sich in einem Investitionsloch", konstatierte der frühere luxemburgische Ministerpräsident, "nicht nur in den Krisenländern, sondern auch in den europäischen Spitzenwirtschaftsräumen wie Deutschland".
Juncker machte sich auch für weitere Strukturreformen der EU-Länder stark, um das Investitionsklima zu verbessern. Auch "eine etwas lockere Geldpolitik und der Investitionsplan" würden die Regierungen aus ihrer Verantwortung hierfür nicht entlassen. "Wer denkt, Strukturreformen wären weniger wichtig geworden, der irrt sich fundamental", mahnte er.
EIB-Präsident Werner Hoyer sprach bei der Konferenz von einer "langen Liste von Hindernissen" für ausreichende Investitionen. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir besser, das heißt intelligenter investieren", forderte er. "Was am meisten verwundert hat, ist die Größenordnung des Investitionsstaus", betonte er und benannte die Summe auf "jenseits der 500 Milliarden Euro pro Jahr". An vorderster Stelle müssten Investitionen in die digitale Infrastruktur und in vernetzte Verkehrssysteme stehen.
Juncker will mit der Initiative die latente Wachstumsschwäche in der EU und die zu hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Bei den Plänen des neuen Kommissionspräsidenten kommt der EIB eine zentrale Funktion zu: Die EU-Förderbank soll einen Fonds von 21 Milliarden Euro auflegen, mit dem Verlustrisiken von Großprojekten getragen werden sollen. Über Hebelwirkungen soll dadurch ein Vielfaches an Investitionen angeschoben werden. "Dieser Plan zielt darauf ab, eine Investitionsdichte von 315 Milliarden Euro loszutreten", sagte Juncker.
Offen ist allerdings noch, welche Projekte letztlich wirklich als sinnvoll erachtet werden, um Europa bei dem dringend notwendigen Investitionshochlauf weiter zu bringen. Die in Brüssel eingereichten Projektvorschläge gehen offenbar weit über die geplanten 315 Milliarden hinaus. Insgesamt sollen sie sich auf einen Umfang von 1,2 Billionen Euro summieren. Juncker bestätigte, Deutschland habe 51 Projekte mit einer Investitionssumme von 21,1 Milliarden Euro vorgeschlagen.
Als Schwerpunkte seiner Initiative benannte der EU-Kommissionspräsident unter anderem die Verkehrsinfrastruktur, den Energiebereich und die digitale Infrastruktur. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung könnte besonders die deutsche Versicherungswirtschaft künftig eine stärkere Rolle bei der Bereitstellung von Kapital spielen, um marode Brücken, Autobahnen oder andere Infrastruktur zu sanieren.
Noch prüft aber in Berlin eine hochrangige Expertenkommission unter Leitung des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher, wie mehr private und öffentliche Investitionen erreicht werden können. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Gremium um den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) eingesetzt, um neben den in der Koalition vereinbarten prioritären Maßnahmen bei Bildung, Forschung, Verkehr, Stadtentwicklung und kommunaler Investitionskraft insgesamt eine "wirksame Investitionsstrategie" zu entwickeln.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat zudem bereits angekündigt, aus dem Bundeshaushalt in den drei Jahren von 2016 bis 2018 zusätzlich insgesamt zehn Milliarden Euro für Investitionen bereitstellen zu wollen. Damit habe der Finanzminister "schon mögliche Spielräume vorweg genommen", sagte sein Sprecher Martin Jäger bei einer Pressekonferenz am Montag. Mögliche weitere Spielräume sollten in "Zukunftsbereiche" fließen. Falls erforderlich, werden man aber auch Mittel finden, um die äußere und innere Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten, betonte er, nachdem Schäuble in einem Interview zugesagt hatte, den Verteidigungsetat ab 2017 zu erhöhen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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March 02, 2015 09:20 ET (14:20 GMT)
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