22.09.2015 14:30:47

Merkel fordert "volle Transparenz" in VW-Affäre

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in den Skandal um manipulierte VW-Abgaswerte in den USA eingeschaltet. Die Kanzlerin forderte von VW "volle Transparenz" und die schnelle Vorlage von Fakten. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte eine schnelle Aufklärung. Die SPD-Fraktion im Bundestag ging darüber hinaus und forderte Konsequenzen im Unternehmen.

Merkel sagte, es gehe "angesichts der schwierigen Lage jetzt darum, volle Transparenz zu zeigen, den gesamten Vorgang aufzuklären". Sie antwortete bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Ministerpräsidenten Juha Sipilä auf eine entsprechende Frage. "Der Verkehrsminister ist hier ja auch in engem Kontakt mit dem Unternehmen VW", sagte sie. "Ich hoffe, dass möglichst schnell die Fakten auch auf den Tisch kommen."

Den Autofahrern in Deutschland versprach Merkel, dass auch hierzulande die Testverfahren für die Abgase genau überprüft würden. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sei bereits damit befasst. Auch hier gehe es um volle Transparenz. "Alle fälligen Maßnahmen sind aus unserer Sicht eingeleitet - so weit ich das heute übersehen kann", erklärte die Bundeskanzlerin.

Winterkorn will voll mit den Behörden kooperieren In dem Skandal hat das US-Justizministerium Kreisen zufolge strafrechtliche Ermittlungen gegen VW eingeleitet. Eine Volkswagen-Sprecherin wollte sich dazu nicht äußern. Winterkorn hatte erklärt, der Konzern kooperiere mit den US-Behörden und habe eine externe Untersuchung des Falles in Auftrag gegeben. Die US-Umweltschutzbehörde EPA wirft Volkswagen vor, mit einer Software Vorgaben zur Luftverschmutzung umgangen zu haben.

Der Konzern teilte am Dienstag mit, dass weltweit elf Millionen Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 auffällig seien. Der Konzern stellt im dritten Quartal rund 6,5 Milliarden Euro wegen des Skandals zurück. Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 würden entsprechend angepasst.

Dobrindt erklärte, VW-Chef Martin Winterkorn habe ihm gegenüber eine volle Unterstützung bei der Aufklärung der Vorwürfe zugesagt. Ein Gespräch mit Winterkorn sei "sehr konstruktiv" verlaufen, sagte Dobrindt der Bild-Zeitung. "VW hat seine absolute Unterstützung zugesagt, für alle von uns jetzt angeordneten Tests der Autos." Dobrindt lässt nun die gesamte deutsche Diesel-Flotte von VW durch das Kraftfahrtbundesamt überprüfen.

SPD verlangt Konsequenzen bei VW Die SPD-Fraktion im Bundestag forderte wegen des Skandals Konsequenzen im Unternehmen. "Ich finde es erschütternd, was wir im Augenblick bei Volkswagen erleben", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Es handele sich um "Vorgänge, die schnell und gründlich aufgeklärt werden müssen. Und dann müssen auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden", sagte der SPD-Politiker. Die Automobilindustrie sei das Export-Aushängeschild von Deutschland und dürfe keinen Schaden nehmen. "Deshalb müssen wir eine schnelle Korrektur der schwerwiegenden Fehlentwicklungen jetzt einleiten und die muss sehr konsequent sein, wenn das Vertrauen in die Marken wieder hergestellt werden soll."

Auch Steinmeier verlangte eine schnelle Klärung. "Ich hoffe, dass es möglichst schnell Aufklärung darüber gibt, in welchem Umfang Daten beeinflusst worden sind durch technische Einrichtungen und insbesondere Erkenntnisse darüber, wer dafür verantwortlich ist", sagte er in Sri Lanka. "Das ist und muss das Interesse zuallererst von Volkswagen selbst sein." In einem zweiten Schritt müssten VW und die US-Behörden darüber reden, "wie man in der Aufarbeitung damit umgeht".

Abgeordnete wollen dringende Aufklärung

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil nannte es "einen ungeheuerlichen Vorgang, wenn ein großes deutsches Unternehmen offensichtlich mit erheblichem Aufwand versucht hat, Umweltgesetze zu unterlaufen". Jetzt gehe es nicht nur darum, Schaden vom Unternehmen und seinen Beschäftigten abzuwenden, sondern auch "vom Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt".

Die Vorgänge sollen am Donnerstag auch im Bundestag diskutiert werden, wie Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) ankündigte. Dann wird nach seinen Angaben eine Aktuelle Stunde stattfinden, die die Grünen unter dem Titel "Haltung der Bundesregierung zur Käufertäuschung bei Spritverbrauchsangaben und Schadstoffausstoß von PKW" beantragt haben.

Die Grünen fordern, im Parlament zu klären, was die deutschen Behörden und die Konzernspitze in Wolfsburg darüber gewusst haben, und ob es solche Manipulationen auch bei anderen Autokonzernen gibt. "Der Ruf der deutschen Autoindustrie steht auf dem Spiel, wenn sich wirklich herausstellen sollte, dass flächendeckend bei Abgastests und Verbrauchsangaben manipuliert wurde", warnte ihre Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann.

Linke warnt nach VW-Skandal vor TTIP

Grosse-Brömer äußerte sich allerdings distanziert zu dem Vorstoß der Grünen. "Ich stelle mir häufiger die Frage, was die Grünen mit ihren Aktuellen Stunden bezwecken", sagte er. Die Haltung der Bundesregierung habe bereits Verkehrsminister Dobrindt klar gemacht. Grosse-Brömer sagte, VW sei "ein Vorzeigeunternehmen mit weltweitem Erfolg", aber was nun stattfinde, sei gerade für ihn als Niedersachsen "wirklich maßlos enttäuschend". Gefragt sei jetzt der Aufsichtsrat des Autobauers. "Ich finde, da müssen jetzt auch die Herren im Aufsichtsrat erklären, was da los ist."

Der Linken-Parteichef Bernd Riexinger sprach seinerseits von einem "Totalschaden bei VW". Eine grenzenlose Profitgier führe dazu, dass Verbraucherinnen und Verbraucher belogen würden, die Umwelt zerstört werde, und Arbeitsplätze keinen Pfifferling wert seien. "VW-Chef Martin Winterkorn sollte überlegen, ob er nicht besser den Rückwärtsgang einlegt", meinte Riexinger.

Der Linken-Chef warf VW "systematischen Betrug" vor, der deutlich mache, dass Konzerne keine Rücksicht auf bestehende Gesetze nähmen. Man könne sich vorstellen, was zu erwarten sei, wenn mit dem Freihandelsabkommen TTIP künftig Konzerne private Schiedsgerichte anrufen könnten, weil ihnen die Sozial- oder Umweltstandards eines Landes zu hoch seien, warnte er.

(Mitarbeit: Christian Grimm, Markus Klausen, Stefan Lange und Andrea Thomas)

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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