Endlose Geschichte |
07.09.2015 10:45:00
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Tsipras will nach Wahlsieg Hilfspaket neu verhandeln
Die Syriza-Regierung schaffte es in den vergangenen Monaten nicht, die Sparauflagen der Gläubiger abzuschütteln, und unterschrieb letztendlich ein neues Rettungsprogramm voller Ausgabenkürzungen. Auf die Feierlaune folgte bei den Griechen die Katerstimmung. Jetzt will Tsipras die Gunst der Wähler zurückgewinnen.
Syriza und die Konservativen liegen gleichauf
In einer Rede am Sonntag bei der jährlichen internationalen Handelsmesse in Thessaloniki sagte der Parteichef, dass das im Juli beschlossene Rettungspaket Spielraum lasse, um einige harte Haushaltsmaßnahmen mit anderen Schritten zu ersetzen, mit denen man die gleichen finanziellen Ziele erreichen könne. Die Vereinbarung sei bei manchen Themen absichtlich offen, sagt er, und biete die Möglichkeit, gleichwertige Maßnahmen auszuhandeln.Als größte Errungenschaft seiner Regierung nennt er die Bereitschaft der Gläubiger, Griechenland einen Teil der Schulden zu erlassen. Dafür habe man sich auf das Paket eingelassen, auch wenn das seine eigene Partei schwer unter Druck gesetzt habe. "Wir haben uns entschieden, dem Land Vorrang vor der Partei zu gewähren", sagte Tsipras über das Rettungspaket, das zu einer Spaltung innerhalb von Syriza führte.
Fünf unterschiedliche Wählerumfragen aus den letzten Tagen zeigen, dass Syriza und Nea Dimokratia in etwa gleichauf liegen. "Die Umfragen zeigen ein Unentschieden", sagt Nikos Marantzidis, Meinungsforscher und Politikprofessor an der Universität Makedonien in Nordgriechenland. Klar ist nur, dass keine der großen Parteien im Parlament eine absolute Mehrheit einfahren wird. Eine Koalitionsregierung ist damit unumgänglich.
Syriza hat immer noch den Bonus des "Neulings"
Als Tsipras Ende August zurücktrat, um vorzeitige Wahlen zu erzwingen, nahm man in Griechenland zunächst an, dass Syriza problemlos gewinnen werde. Doch ein Sieg für Nea-Dimokratia-Chef Evangelos Meimarakis scheint inzwischen genauso wahrscheinlich. Denn seit der Spaltung im vergangenen Monat ist die Beliebtheit von Syriza geschrumpft. Die linksextremen Kritiker von Tsipras' Kehrtwende bei den Rettungsverhandlungen gründeten nach der Einigung mit den Geldgebern eine neue Partei gegen die Sparpolitik.Vor einem Jahr hatte Tsipras das letzte Manifest seiner Partei vorgelegt, ein Programm voller großzügiger öffentlicher Ausgaben und Steuergeschenke sowie dem Versprechen auf einen stärkeren Arbeitnehmerschutz. Diese Maßnahmen hätten einen großen Teil der in den vergangenen Jahren bereits umgesetzten Reformen wieder rückgängig gemacht.
Tsipras kann inzwischen keinen Widerstand gegen das Rettungspaket mehr leisten. Stattdessen will er die Auflagen abmildern. Seine Partei, die bis zur jüngsten Wirtschaftskrise kaum Beachtung fand, hofft durch ihren Status des Neulings und Außenseiters dennoch Wählerstimmen für sich gewinnen zu können.
Denn viele Griechen sind weiterhin enttäuscht über ihre etablierten Parteien, auch über Nea Dimokratia. Sie geben ihnen die Schuld an den Jahren der Verschwendung, die zur Schuldenkrise führten. Ein Wahlkampfvideo von Syriza ruft die Griechen auf, "mit der Vergangenheit Schluss zu machen". "Eine Wiederkehr von Nea Dimokratia wäre eine Rückkehr zu Korruption und Vetternwirtschaft", sagt Tsipras und verspricht neue Maßnahmen, um die chronische Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Unentschlossene Wähler sind das Zünglein an der Waage
Die Umfragen zeigen, dass sich mindestens zehn Prozent der Wähler noch nicht entschieden haben. Meinungsforscher sagen, dass etwa ein Drittel der Unentschlossenen bei den Wahlen im Januar für Syriza stimmten. Der Ausgang der Neuwahlen könnte davon abhängen, ob diese enttäuschten Syriza-Wähler am 20. September zu den Urnen gehen.Die Griechen wählen nun schon zum zweiten Mal in neun Monaten ein neues Parlament. Doch die Stimmung ist umgeschlagen. Im Januar dominierten die Hoffnung auf ein Ende der Sparpolitik und die Angst vor einer erneuten Finanzkrise. "Die Worte Hoffnung und Angst, die den letzten Wahlkampf bestimmten, fehlen jetzt", sagt Thomas Gerakis, Leiter der Meinungsforschungsfirma Marc. "Die Griechen sind enttäuscht und müde; sie haben das Gefühl, dass sie die Zukunft ihres Landes nicht mehr beeinflussen können."
Beide großen Parteien distanzieren sich von den unbeliebten Rettungsauflagen, für die sie in den vergangenen Wochen selbst mehrmals im Parlament stimmten. Syriza verspricht, die Bedingungen zu erfüllen, sagt jedoch, es gebe Spielraum, um die Sparmaßnahmen zu entschärfen.
Nea Dimokratia war daran beteiligt, das Rettungspaket abzusegnen, nennt es jetzt jedoch eine schlechte Abmachung. Die Partei will das Programm nun neu verhandeln. Es sei das erste Mal, dass niemand in Griechenland hinter dem Rettungsprogramm stehe", sagt Wolfango Piccoli, Managing Director bei der New Yorker Beratungsfirma Teneo Intelligence, die sich auf politische Risiken spezialisiert. "Selbst die Gläubiger stehen nicht energisch dahinter. Der Internationale Währungsfonds hat noch nicht zugesagt, an der Rettung teilzunehmen. Dadurch ist es schwer, es der Öffentlichkeit zu verkaufen, während eine neue Runde der schmerzhaften Sparmaßnahmen naht."
Sowohl Syriza als auch Nea Dimokratia sagen, dass sie die Mehrwertsteuer von 23 Prozent auf private Bildung wieder zurücknehmen wollen. Erst vor weniger als einem Monat hatten beide Parteien im Rahmen der Rettungsauflagen dafür gestimmt. Nea Dimokratia will außerdem nicht für ein Ende der Einkommensteuervorteile für Bauern stimmen. Auch diese Maßnahme hatte man den Gläubigern zuletzt versprochen. Syriza unterstützt inzwischen nur noch neun Privatisierungsprojekte anstatt der 23, die Griechenland zuletzt noch bis 2017 abschließen wollte.
Der Ausgang ist also völlig offen. Aber egal, welche Partei am 20. September siegt: Sie wird wahrscheinlich eine Koalition mit To Potami (der Fluss) oder der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung Pasok eingehen müssen, um sich eine Mehrheit im Parlament zu sichern.
Von Nektaria StamouliTHESSALONIKI (Dow Jones)
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