28.03.2014 10:45:00
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Leitl urgiert für Arbeitsmarkt-Schub verstärkte Innovationspolitik
Österreich sei keineswegs europaweiter Musterschüler bei der Arbeitslosigkeit - nämlich dann nicht, wenn man ehrlicherweise auch die Frühpensionsjahrgänge dazurechne. "Wir dürfen uns nicht selbst betrügen und die Dinge schöner reden als sie sind." Schon ein reales Wirtschaftswachstum von zwei Prozent reiche, um die Arbeitslosenzahl nicht weiter klettern zu lassen, so Leitl. Für 2014 und 2015 sieht das Wifo jetzt aber erst 1,7 Prozent BIP-Plus.
Österreich solle sich etwa in den Wachstumsbereichen Erneuerbare Energien und Umwelt international stärker einbringen, forderte der WKÖ-Chef in dem Gespräch aus Anlass seines 65. Geburtstags am Samstag dieser Woche. Ohne pekuniäre Incentives als Impuls werde das aber nicht gehen. "Es gibt auf der ganzen Welt Märkte mit einem hohen Wachstum, dorthin müssen wir mit Innovationen gehen. Denn einen Kostenwettbewerb kann Österreich nicht gewinnen, aber einen Begabungs- und Talentewettbewerb", ist Leitl überzeugt.
Besonders engagieren sollte sich die heimische Wirtschaft in den Regionen Asien und Nordamerika mit zwei Drittel des Welthandels, aber lediglich 15 Prozent Anteil der österreichischen Ausfuhren. "Die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen zeigt, welche Chancen wir haben", so Leitl.
Als Eckpfeiler und Garanten für die wirtschaftlichen Erfolge Österreichs bezeichnete der Kammerchef das duale Ausbildungssystem, die bewährte Sozialpartnerschaft und eine starke Interessenvertretung auf gesetzlicher solidarischer Basis, "von einigen 'Zwangsmitgliedschaft' genannt". Doch stark könne nur jemand sein, der auch geschlossen auftrete, verteidigt Leitl die Macht der Kammer, "sonst wird man zum Spielball von finanzkräftigen Lobbyisten".
Für die Wirtschaftskammer-Wahlen 2015 zeigt sich der erneut als Spitzenvertreter ins Rennen gehende Wirtschaftsbund-Chef zuversichtlich, auch wenn der ÖVP und ihren Teilorganisationen der Wind ins Gesicht weht. "Als Unternehmer kann ich mir nicht aussuchen, wer am Markt auftritt", gibt er sich keinen Illusionen hin. "Doch ich glaube unsere Arbeit trägt eine deutliche Handschrift, das müssen wir unseren Mitgliedern sagen. Wir haben einiges erreicht, und auch in Zukunft werden wir die Stimme des Mittelstandes sein und der Anwalt für den Wirtschaftsstandort Österreich."
Zu seinem vielfach kritisierten Sager "Österreich ist abgesandelt" am Rande des Forum Alpbach im vorigen Jahr steht Leitl auch heute noch: "Es war ein Weckruf. Denn wenn man sich in einer Zeitreihe die wesentlichsten Indikatoren ansieht, erkennt man: Es geht bergab, wir sandeln zum Durchschnitt." Österreich dürfe sich aber nicht mit dem Durchschnitt zufriedengeben, "sonst bleibt man Durchschnitt".
"Bester" könne nur werden, wer sich an den jeweils Besten orientiere - etwa beim Bildungssystem an Finnland, beim Arbeitsmarktsystem an Dänemark, beim Pensionssystem an Schweden oder beim Bewältigen der Budgetproblematik an der Schweiz.
Auf europäischer Ebene engagiert sich Leitl für eine Senkung der in vielen Staaten exorbitant hohen Jugendarbeitslosigkeit mit Hilfe von dualen Ausbildungssystemen wie sie Österreich oder Deutschland haben und rührt die Trommel für Haftungsmilliarden für Firmen, damit Jugendliche ohne Job rascher in die Betriebe hineingebracht werden können.
In Österreich würden jedes Jahr rund 8.000 junge Leute - etwa 10 Prozent eines jeden Geburtsjahrganges - weder eine Pflichtschule noch eine Lehre abschließen. Das dürfe nicht ausgeblendet werden, mahnt Leitl. Hier will ja Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit der Ausbildungsverpflichtung gegensteuern, die ab 2016/17 vollständig umgesetzt sein soll.
Mit Hundstorfer kann Leitl überhaupt sehr gut, mehrfach verweist er auf gemeinsame Vorhaben und zusammen auf Schiene gebrachte Verbesserungen. Das im Duo erarbeitete Papier zu Wachstum und Beschäftigung gelte es nun, mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) einerseits und Industriellen-Präsident Georg Kapsch andererseits "schrittweise abzuarbeiten".
Auf der Wunschliste hat der WKÖ-Präsident noch eine "sachgerechtere Verteilung der Arbeitszeit", jedoch "nicht mehr arbeiten, nicht mehr ausbeuten". Leitl stößt sich etwa an den allzu starren täglichen 10-Stunden-Limits, wodurch dann Mitarbeiter auf Dienstreisen etwa am Rückweg übernachten müssten, damit sie hier nicht drüberkommen.
Und die Arbeitsinspektorate sollten die Pausen-Regelungen nicht allzu streng nehmen, also nicht bereits "mit allen Konsequenzen Strafen" aussprechen, nur wenn etwa laut Zeitaufzeichnung eine Pause einmal 28 statt 30 Minuten gedauert habe. "Da möchte ich eine Toleranzregelung haben", wünscht sich Leitl: "Unser Motto wäre hier 'beraten statt strafen'." Für grobe oder vorsätzliche Verstöße hat der Kämmerer jedoch kein Verständnis, "das verteidigen wir nicht".
Das Thema "Durchrechnungszeiträume" für Arbeitszeiten wird derzeit im Vorfeld der Herbstlohnrunde der Metaller "engagiert diskutiert", sagt Leitl, "und da erwarte ich mir auch konkrete Ergebnisse".
Christoph Leitl wurde am 29. März 1949 als Sohn des Ziegelindustriellen Karl Leitl geboren. Nach der Matura studierte er Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Linzer Kepler-Universität, wo er 1973 das Doktorat erwarb. 1977 trat er in die Geschäftsführung der Bauhütte Leitl-Werke ein, einem oberösterreichischen Familienunternehmen.
1990 entschied Leitl sich für den politischen Karriereweg, als ihn LH Josef Ratzenböck als Wirtschaftslandesrat holte. Von 1995 bis 2000 war er auch Landeshauptmann-Stellvertreter in OÖ. Seit 1999 ist Leitl Bundesobmann des Österreichischen Wirtschaftsbundes, einer ÖVP-Teilorganisation. 2000 trat er sein Amt als WKÖ-Präsident an und folgte damit Leopold Maderthaner nach; zweimal wurde Leitl in dieser Funktion wiedergewählt, 2004 und 2009.
(Schluss) sp/phs
WEB http://wko.at

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