08.07.2016 14:09:40

Krise im Schatten des Brexit - Druck auf Italiens Banken wächst

ROM/FRANKFURT (dpa-AFX) - Im Schatten des Brexit wächst in Italien und dem Rest der Europäischen Union die Angst um die italienischen Banken. Die Krisensymptome nehmen zu: So rauschten die Aktienkurse der Kreditinstitute in den vergangenen Tagen immer rasanter in die Tiefe - und die Ausfallversicherungen für Banken wurden immer teurer. Einige Experten warnen bereits vor der Sprengkraft der italienischen Bankenkrise und dass sich diese auf ganz Europa ausweiten könnte.

"Der gesamte Bankenmarkt steht unter Druck", sagte etwa jüngst Lorenzo Bini Smaghi, Verwaltungsratschef der französischen Großbank Societe Generale der Nachrichtenagentur Bloomberg. Kein Wunder also, dass Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi die angeschlagenen Banken des Landes lieber heute als morgen mit frischem Staatsgeld stützen würde, doch noch stellt sich die EU quer. Zuletzt holte sich Renzi beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche eine Abfuhr für seinen Plan einer Kapitalspritze von 40 Milliarden Euro für die Banken. Doch der Handlungsdruck wird immer größer.

Längst fordern auch viele Banker und Investoren mutige Entscheidungen der Politik. Für Societe Generale-Chef Smaghi führt etwa kaum ein Weg an direkten Staatshilfen vorbei. Regeln, die diese begrenzten, sollten dringend überdacht werden, um Schlimmeres zu verhindern. Und: Jede Form von Intervention müsse so schnell wie möglich erfolgen.

Tatsächlich türmen sich in den Bilanzen von Italiens Banken Kredite in Höhe von rund 360 Milliarden Euro, bei denen Kunden Probleme mit der Rückzahlung haben. Das entspricht einem Drittel der gesamten faulen Darlehen in der Eurozone. Betroffen davon sind insbesondere viele Regionalbanken. Neben der jahrelangen Talfahrt der italienischen Wirtschaft liegt das auch an erheblichem Missmanagement bei der Vergabe von Krediten.

"Italien kann eine größere Gefahr für die Eurozone werden als der Brexit", fürchtet etwa Neil Wilson von der Handelsfirma ETX Capital. Inzwischen sind auch die Bankaufseher der Europäischen Zentralbank alarmiert. In einem in dieser Woche bekannt gewordenen Schreiben drängen die von faulen Krediten besonders belastete Großbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) zu einem drastischen Abbau der faulen Kredite.

Doch das kann nur gelingen, indem sie die Kredite mit deutlichen Verlusten verkauft und hohe Abschreibungen vornimmt. Dafür aber fehlen ihr die Kapitalpuffer - trotz mehrerer Kapitalerhöhungen und zweier Rettungsaktionen durch den Staat seit der Finanzkrise 2008. Auch bei der größten Bank des Landes, Unicredit (UniCredito Italiano (vor Aktienzusammenlegung)), wachsen die Sorgen vor neuen Lücken. Sie gilt als global systemrelevant. Das heißt, eine Schieflage des Instituts, könnte im weltweiten Finanzsystem Schockwellen auslösen.

Investoren fordern längst einen Befreiungsschlag. Die angeschlagenen Banken Italiens bräuchten jetzt schnell Staatshilfe, erklärt der Vizepräsident des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Philipp Hildebrand, am Mittwoch in der "Financial Times". Eine solche Hilfe sollte allerdings mit der klaren Vorgabe an die Institute einhergehen, endlich harte strukturelle Reformen anzugehen. Dann bestehe die Chance, den Bankensektor wirklich zu stärken und die Hilfsgelder zurückzubekommen.

Doch bislang tut sich die EU, unter maßgeblichen Druck aus Deutschland, schwer mit neuen Staatshilfen. Seit der Finanzkrise hatten alle Anstrengungen zum Umbau der Banken das Ziel, dass nicht noch einmal der Steuerzahler gerade stehen muss. Unter anderem müssen zunächst Eigentümer und Gläubiger einer Bank bei einer Schieflage an den Rettungskosten beteiligt werden.

Doch diese Vorgabe, die erst seit Jahresbeginn vollständig gilt, wackelt angesichts der Lage in Italien. Das Problem ist nach Einschätzung von Kritikern, dass die italienischen Banken in das neue System gerutscht sind, ohne dafür reif zu sein. Der Bankensektor ist immer noch stark zersplittert und wenig effizient. Die dringend benötigte Reform sollte Italien nun nachholen, meint etwa Blackrock.

Eine Möglichkeit dazu könnte sich nach Einschätzung von Morgan-Stanley-Analyst Alvaro Serrano Ende des Monats bieten, wenn die europäischen Bankaufsichtsbehörden die Ergebnisse der diesjährigem Stresstests vorlegen. Denn eine Ausnahme bei den Haftungsregeln sieht vor, dass in den Tests festgestellte Kapitallücken mit Staatsgeld gestopft werden können.

Doch hat Italien dafür überhaupt finanziellen Spielraum? Einerseits ja, denn das jährliche Haushaltsloch Italiens ist derzeit nicht so groß wie in anderen Euroländern wie Spanien oder Portugal. Andererseits ist Italien schon hoch verschuldet: Nach Griechenland hat der Stiefelstaat den - in Relation zur Wirtschaftsleistung - höchsten Schuldenberg in der Eurozone angehäuft.

An dieser Stelle kommen die Banken ins Spiel, die einen erheblichen Teil der öffentlichen Schulden finanziert haben. Die hohen Bestände an Staatsanleihen in den Bilanzen der Banken gelten zugleich als ein wichtiger Grund, warum die Geldhäuser die Sanierung ihrer Bilanzen seit Jahren aufschieben. Denn diese müssen - im Gegensatz zu herkömmlichen Krediten - nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden. Das mindert den Anreiz zur Aufstockung des Eigenkapitals.

Auch politisch steht Renzi massiv unter Druck. Im Herbst will er das Volk über seine tiefgreifende Verfassungsreform abstimmen lassen. Umfragen deuten auf einen knappen Ausgang hin - und der Politiker hat seine politische Zukunft mit dem Referendum verbunden. Sollte der Premier jetzt den EU-rechtlich vorgeschriebenen Weg gehen und die italienischen Sparer für die Banken bluten lassen, könnte das seinen politischen Tod und Neuwahlen bedeuten. Die daraus resultierende Ungewissheit wäre ein Schlag für die ohnehin fragile italienische Konjunktur - und damit auch für die Banken./enl/bgf/fbr

--- Von Erik Nebel und Bernhard Funck, dpa-AFX ---

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