Kampfeinsatz droht 03.03.2014 09:02:43

Krim-Krise: Der Westen isoliert Russland

In einer am Sonntagabend vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung der sogenannten G7-Staaten forderten die USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien sowie die Präsidenten des Europarats und der EU-Kommission Moskau zu direkten Gesprächen mit Kiew auf. Gleichzeitig setzten sie ihre Teilnahme an den Vorbereitungen des G8-Gipfels im Juni im russischen Sotschi aus.

   Zudem hat die US-Regierung in Washington damit begonnen, gemeinsame Wirtschafts- und Handelsinitiativen abzusagen. Nach Auskunft ranghoher US-Beamter diskutiert die Obama-Regierung auch mit dem Kongress über die Einrichtung gezielter Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen russische Firmen für den Fall, dass die russische Regierung ihre Truppen nicht aus der Krim abzieht.

   "Die russischen Streitkräfte besitzen jetzt die komplette Kontrolle über die Krim-Halbinsel, mehr als 6.000 Luft- und Marinetruppen mit erheblichem Material", sagte ein führender US-Regierungsvertreter am Sonntag. "Es ist keine Frage, dass sie in einer besetzerischen Position in der Krim sind, dass sie Verstärkung einfliegen und dass sie sich dort stationieren."

   Am Montag erklärte die russische Regierung, dass sie die neue Führung in der Ukraine nicht anerkenne. Der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sei "laut der Verfassung noch immer der legitime Staatschef", teilte der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew im sozialen Netzwerk Facebook mit.

   Medwedew schloss eine Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung aus. Diese sei für das Blutvergießen in der Ukraine verantwortlich und "hat die Macht ergriffen, indem sie die Verfassung und andere Gesetze brach", sagte der russische Ministerpräsident und warnte vor "einer neuen Machtergreifung" und "neuem Blutvergießen" in dem ehemaligen Sowjetland. "Russland braucht eine starke und stabile Ukraine. Einen verlässlichen und wirtschaftlich starken Partner", fügte er hinzu.

   Europa und die USA suchen indes nach Wegen, um Russland zu bestrafen. Zugleich räumen sie ein, dass für sie eine militärische Einmischung nicht in Frage kommt. Der wunde Punkt für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei vielmehr, dass die Wirtschaft seines Landes schwächle und der Wert des Rubels verfalle. "Wir schauen uns ein breites Optionsmenü an, um unsere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen [mit Russland] zu beschneiden", sagte ein führender US-Beamter am Sonntagabend. "Das wird enorme Kosten für die russische Wirtschaft haben."

   Kurz vor der Erklärung der G7 hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama telefonisch über die zunehmenden Spannungen in der Ukraine beraten. Beide hätten übereingestimmt, dass die "unakzeptable russische Intervention auf der Krim ein Verstoß gegen das Völkerrecht" sei, teilte ein Sprecher der Bundesregierung mit.

   Obama und Merkel hielten eine politische Lösung für unabdingbar und forderten die umgehende Entsendung einer internationalen Beobachtergruppe zur Beurteilung der Lage in der Ukraine sowie die Einrichtung einer Kontaktgruppe für einen politischen Dialog.

   Nach Angaben der Bundesregierung akzeptierte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit Merkel am Sonntag die Bildung einer derartigen Kontaktgruppe sowie eine Beobachtermission. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat noch am Sonntag seinen Stellvertreter Jan Eliasson in die Ukraine geschickt. Dieser werde sich persönlich ein Bild von der Lage machen und dem UN-Generalsekretär Vorschläge unterbreiten, mit welchen Maßnahmen die Vereinten Nationen zu einer Entspannung der Situation beitragen könnten, sagte ein Sprecher. US-Außenminister John Kerry wird am Dienstag in Kiew erwartet.

   Moskau fürchtet nach der Entmachtung des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch um seinen Einfluss in der Ukraine und verstärkte die auf der Krim stationierten Verbände seiner Schwarzmeerflotte. Soldaten in Kampfanzügen ohne Hoheitsabzeichen patrouillieren an strategisch wichtigen Punkten auf der ukrainischen Halbinsel. Aus US-Regierungskreisen hieß es, dass die gesamte Krim inzwischen unter Kontrolle russischer Truppen stehe.

   Der Westen beratschlagt noch intensiv über die Frage, wie die Ukraine bei der Bewältigung ihrer finanziellen Probleme und der humanitären Situation unterstützt werden könne. Zuletzt hing die Ukraine am Tropf der Regierung in Moskau, die ihre Hilfen wegen der politischen Umwälzungen allerdings eingefroren hat. Anfang dieser Woche werden Experten des Internationalen Währungsfonds in Kiew erwartet, die den Finanzbedarf der Ukraine ermitteln sollen.

   Am früheren Sonntag hatte bereits US-Außenminister John Kerry Russland mit einem Ausschluss aus dem Kreis der führenden Industriestaaten (G8) gedroht. Bei einer weiteren Eskalation könne es Putin passieren, dass der geplante G8-Gipfel im südrussischen Sotschi nicht stattfinde. "Möglicherweise bleibt er gar nicht in der G8-Gruppe", sagte Kerry im US-Fernsehen.

   Kerry warnte Moskau vor dem Hintergrund des Streits um die ukrainische Halbinsel Krim zudem, dass "Guthaben eingefroren werden" könnten. US-Unternehmen könnten sich aus Russland "zurückziehen", der Rubel könne "weiter geschwächt" werden, sagte der US-Außenminister. Wenn Russland ein G8-Mitglied sein wolle, dann müsse es sich "wie ein G8-Staat verhalten". Russland war 1998 in den Kreis der führenden Industriestaaten aufgenommen worden.

   Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich jedoch skeptisch zum Vorschlag seines US-Kollegen geäußert, Russland möglicherweise aus der G8-Gruppe auszuschließen. Es gebe in dieser Frage "die einen, die sagen, wir müssen jetzt das starke Signal senden und Russland ausschließen", sagte Steinmeier am Sonntagabend in der ARD. Er gehöre dagegen "eher zu denen", die sagten, das G8-Format sei das einzige Format, in dem wir aus dem Westen noch mit Russland unmittelbar sprechen".

   "Und sollten wir wirklich dieses einzige Format opfern?", fragte Steinmeier in der Sendung Bericht aus Berlin. Darüber würden die Regierungschef der G8-Staaten "im Verlaufe dieser Woche sicherlich" miteinander sprechen.

   Nachdem das russische Parlament am Samstag einen russischen Militäreinsatz in der Ukraine genehmigt hatte, bereitet sich die Ukraine auf den Ernstfall vor. Das Land mobilisierte am Sonntag alle Reservisten und versetzte seine Armee in Alarmbereitschaft. Zehntausende protestierten am Sonntag gegen einen möglichen Angriff Russlands auf die Ukraine - nicht nur in Kiew, sondern auch in den USA, Deutschland und anderen Ländern.

   Als Begründung für die Verlagerung russischer Truppen auf die Krim hatte der russische Präsident Putin angegeben, es gebe eine "Bedrohung" für auf der Halbinsel lebenden russischen Staatsbürger.

   Der ukrainische Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk warf Putin eine "Kriegserklärung gegen mein Land" vor. Die Ukraine stehe am "Rande der Katastrophe". Putin stehe kurz davor, "einen Krieg zwischen zwei benachbarten und befreundeten Ländern" anzuzetteln. Die Krim hat seit 1992 den Status einer autonomen Republik innerhalb der Ukraine.

  mit Material von AFP

   DJG/WSJ/kla

   Dow Jones Newswires

Von Jay Solomon, Carol E. Lee und Stephen Fidler

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