04.10.2013 15:47:00
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Konjunkturerholung kommt - Inflation sinkt, Arbeitsmarkt aber schwach
Die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung dürfte den neuen Prognosen zufolge heuer von 7,0 Prozent im Vorjahr auf 7,6 Prozent klettern und laut IHS dort 2014 verharren, dem Wifo zufolge sogar nochmals leicht zulegen auf 7,8 Prozent. Gemäß EU-Definition betrug die Rate voriges Jahr 4,3 Prozent, sie dürfte heuer auf 4,9 (IHS) bis 5,1 (Wifo) Prozent zulegen, 2014 laut IHS bei 4,9 Prozent bleiben, laut Wifo auf 5,2 Prozent wachsen.
Sobald die Konjunktur wieder stärker anzieht, sollten wegen budgetärer Sonderrisiken wie der Kärntner Hypo zusätzliche Sparanstrengungen erfolgen, forderte IHS-Leiter Christian Keuschnigg. Wifo-Kollege Karl Aiginger plädierte für einen Kassensturz durch die neue Regierung.
An sich sei das Budget auf Konsolidierungskurs - "wir gehen in Richtung Nulldefizit 2016", so Aiginger -, doch seien die Kosten der Bankensanierung zu beziffern und dann das Einsparpotenzial im öffentlichen Sektor auszuloten. Hier seien 5 bis 10 Mrd. Euro drin, die je zur Hälfte für eine Steuerentlastung und Zukunftsinvestitionen verwendet werden sollten.
Der Abgang der öffentlichen Haushalte laut Maastricht werde 2013 noch 2,6 Prozent betragen (2014 dann 1,6 Prozent), wobei es aber heuer erstmals einen Primärüberschuss geben dürfte, also ohne Zinszahlungen ein Plus. Dafür werde die Schuldenquote heuer steigen und später durch neue Statistik-Regeln der EU nochmals klettern, und zwar um drei Prozentpunkte des BIP. Aiginger: "Da sind wir weit weg vom Ziel des Fiskalpakts."
Keuschnigg deponierte einen Katalog von "sechs Prioritäten" mit einem "Einhalten des Pfads zum Schuldenabbau" an oberster Stelle, gefolgt von einer Einkommensteuer-Reform, um die Steuerquote zu senken. Drittens sollten die Anstrengungen für eine Pensionsreform verstärkt werden, bei der das Ruhestandsalter rascher als in anderen Ländern anzuheben sei.
Sobald eine Bankenunion bzw. ein Bankeninsolvenzrecht auch in Österreich implementiert sind, sollten "die speziellen Bankensteuern wieder abgeschafft werden", forderte Keuschnigg (in Punkt 5) - allerdings sollten bei der Bankenunion die nationalen Regierungen einen kleineren Spielraum bekommen, fügte Aiginger hinzu. So etwas wie die Causa Hypo dürfe sich "nicht wiederholen", deponierte Keuschnigg. Die Punkte 4 und 6 des IHS-Chefs beziehen sich auf Maßnahmen bei Bildung und Innovation zur Stärkung der Wirtschaftskraft sowie auf überfällige offensive Arbeitsmarktmaßnahmen: "Mangelnde Qualifikation ist das größte Arbeitslosigkeitsrisiko."
Beim Wunschkonzert des Wifo-Chefs, ebenfalls sechs Punkte, steht die "Bildung von der Vorschule bis zur Uni" an vorderster Stelle. Die Schulreform-Debatte läuft aus seiner Sicht falsch, eine "Stundenzählerei" für Lehrer sei "voriges Jahrhundert".
Angesichts einer Staatsquote von 50 Prozent des BIP müsse der öffentliche Sektor reformiert und "eingegrenzt" werden, lautet die zweite Priorität von Aiginger, gefolgt von den Punkten Innovationen & Betriebsgründungen, Umweltführerschaft, Industrie-Technologien und sechstens der Forderung, eine "Vision" zu entwickeln: "Wo will Österreich 2025 stehen? Und darauf dann die Mittel konzentrieren."
Die Inlandsnachfrage entwickelt sich heuer schwach - das IHS rechnet heuer mit real 1,1 Prozent weniger, nach +/- Null im Vorjahr und geschätzten +1,2 Prozent nächstes Jahr. Die Konsumausgaben der Privathaushalte blieben bis Juni real um 1,3 Prozent unter Vorjahr (nicht bereinigt um den Schalttag 2012). Das Wifo sieht die privaten Konsumausgaben in Österreich heuer real stagnieren (nach +0,5 Prozent 2012) und rechnet für 2014 mit 0,9 Prozent Anstieg.
Die heimischen Unternehmen agieren bei ihren Ausrüstungsinvestitionen angesichts der trüben Wirtschaftsaussichten zurückhaltend. Laut Wifo werden die Ausrüstungsinvestitionen heuer um 3,5 Prozent unter Vorjahr liegen, das IHS rechnet sogar mit einem Absacken von 4,3 Prozent. Hier, bei der Investitionsbereitschaft der Betriebe, haben die Institute im Vergleich zur Juni-Prognose die stärksten Abwärtsrevisionen vorgenommen. 2014 sollten die Ausrüstungsinvestitionen real wieder zulegen, laut Wifo um 5,0 Prozent, laut IHS um 3,0 Prozent. Heuer im ersten Halbjahr seien die Ausrüstungsinvestitionen um 8 bis 10 Prozent geschrumpft, sagte Keuschnigg im Pressegespräch.
Direkt zur Herbst-Lohnrunde wollten sich die Chefs der Forschungsinstitute am Freitag nicht äußern. Aiginger meinte aber, mittelfristig sollten für die Arbeitnehmer Reallohnsteigerungen drinnen sein, denn damit könne der Konsum angekurbelt werden, und dies wirke sich wieder günstig auf die Erwartungen der heimischen Firmen aus. IHS-Leiter Keuschnigg rückte dagegen das Ziel von Arbeitszeitflexibilisierungen ins Zentrum und meinte, Reallohnsteigerungen müssten von den Unternehmen erst einmal verdient werden.
Wichtiger als die Frage, um wie viel das nominelle Lohnplus über der Teuerungsrate liegen sollte - die neben der "kalten Steuerprogression" in den letzten Jahren KV-Anstiege aufgefressen hat -, sei es, den heimischen Inflationsaufschlag von einem halben Prozentpunkt gegenüber Deutschland wegzubringen, betonte Aiginger, dann bliebe real auch mehr im Geldbörsel. Die Inflationsdifferenz zu Deutschland - zur Eurozone ist es auch noch ein Viertel Prozentpunkt - resultiere aus dem Dienstleistungsbereich und dem Staatssektor, also etwa regulierten Bereichen bis hin zu Maut, Parkgebühren etc.
Insgesamt entschärft sich die Geldentwertung aktuell in Österreich: Nach 2,4 Prozent Verbraucherpreisanstieg 2012 dürfte sich die Inflationsrate heuer auf 2,0 bis 2,1 Prozent zurückbilden und dann 2014 im Jahresschnitt nur noch 1,9 Prozent betragen, der niedrigste Wert seit langem.
Die Weltkonjunktur weise heuer mit +3,2 Prozent ein anhaltend starkes Wachstum auf, sagte Aiginger, für 2014 erwartet das Wifo 3,8 Prozent Plus. Rund 3,5 Prozent jährlicher BIP-Anstieg seien immerhin 40 Prozent pro Dekade, heuer gebe es eine kleine Delle, ein kleines Zwischentief. Die USA kämen trotz ihrer derzeitigen politischen Handlungsunfähigkeit rasch aus der Krise mit 1,8/2,5 Prozent BIP-Plus 2013/14. Für Japan erwartet das Wifo 1,8/1,9 Prozent Wachstum, für China 7,5/8 Prozent angesichts zuletzt positiverer Indikatoren.
Der Euroraum schrumpfe heuer noch um 0,1 Prozent und dürfte 2014 um 1,1 Prozent wachsen, erstmals seit Jahren bzw. nach sechs rezessiven Quartalen. Die "vermutete Lokomotive" Deutschland habe derzeit aber auch nicht mehr Dampf als Österreich. Die EU-28 sieht das Wifo 2013 noch um 0,1 Prozent schrumpfen, 2014 soll es, dank der CEE-Mitglieder, 1,2 Prozent Wachstum geben.
(GRAFIK 1194-13, Format 88 x 80 mm, GRAFIK 1195-13, Format 88 x 80 mm) (Schluss) sp/snu
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