28.08.2014 12:32:30
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Konjunkturdaten halten Druck auf EZB hoch
Von Hans Bentzien
Der europäische Konjunkturmotor stottert, die Kreditvergabe bleibt schwach und die Inflation niedrig: Aktuelle Konjunkturdaten aus dem Euroraum deuten darauf hin, dass die Wirtschaft Mühe hat, den von der Europäischen Zentralbank (EZB) angepeilten Erholungskurs beizubehalten. Damit bleibt der Druck hoch, die Geldpolitik zu lockern.
Die wirtschaftliche Dynamik im Euroraum hat sich im Juli weiter abgeschwächt und das stärker als erwartet: Der von der EU-Kommission veröffentlichte Sammelindex zur Wirtschaftsstimmung fiel auf 100,6 Punkte von 102,1 im Vormonat. Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf 101,5 gerechnet. Besonders deutlich trübte sich die Stimmung in der Industrie, im Einzelhandel und unter den Konsumenten ein.
Für Deutschland sank der Index auf 104,1 Punkte von 106,0 im Vormonat. Auch in Frankreich und Italien trübte sich die Wirtschaftsstimmung deutlich ein. "Vor allem die stagnierenden Wirtschaften in Italien und Frankreich verhindern ein stärkeres Wachstum der Euro-Wirtschaft. Dagegen haben die Krisenländer wieder in die Wachstumsspur zurückgefunden", kommentierte Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil die Daten.
Vor allem Spanien erscheint derzeit als die Insel der Seligen unter den Ländern an der Euro-Peripherie: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im zweiten Quartal um 0,6 Prozent, wie die Statistikbehörde am Vormittag bestätigte, und die Verbraucherpreise sanken im Jahresabstand etwas weniger als erwartet.
Auch Daten aus deutschen Bundesländern deuten darauf hin, dass die Inflation im Euroraum ihren Tiefpunkt vielleicht doch schon hinter sich hat: Nachdem fünf Länder ihre Daten veröffentlicht haben, deuten alles auf einen leichten Anstieg der Inflation in der größten Volkswirtschaft des Euroraums hin. Erwartet wird eigentlich eine stagnierende Teuerung. Das Statistische Bundesamt wird die Daten um 14.00 Uhr veröffentlichen, Eurostat folgt am Freitag um 11.00 Uhr. Hier tippen Experten bisher auf einen Rückgang der Jahresinflation auf 0,3 Prozent.
Die kurzfristigen Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure waren im Juli durchwachsen. Laut EU-Kommission gingen die Preiserwartungen der Konsumenten für die nächsten zwölf Monate von einem ohnehin stark unterdurchschnittlichen Niveau zurück, und Gleiches galt für die Industrieunternehmen und die Bauwirtschaft. Dagegen erholten sich die Preiserwartungen in der Dienstleistungs- und der Bauwirtschaft leicht.
An den Finanzmärkten sorgte bereits die Überraschung bei den spanischen Inflationsdaten für Ernüchterung. Sowohl Aktien als auch Anleihen verzeichneten Verluste, was Marktbeoachter mit einer Korrektur übertriebener Erwartungen an die EZB nach der Rede ihres Präsidenten Mario Draghi am vergangenen Wochenende in Jackson Hole erklärten. Draghi hatte dort eine erhöhte Handlungsbereitschaft der EZB wegen des Rückgangs der langfristigen Inflationserwartungen signalisiert. Vor allem an den angelsächsischen Märkten war das als eine Art Wiederholung seines "Euro-Rettungsversprechens" von Juli 2012 gewertet worden.
Abgesehen von so kurzfristigen Entwicklungen bleibt der grundlegende Inflationsdruck in Europa allerdings sehr niedrig. Darauf deuten aktuelle Daten zur Geldmengen- und Kreditentwicklung hin: Zwar zog das Wachstum der breiten Geldmenge M3 unerwartet (von 1,6 auf 1,8 Prozent) an, doch lag die Kreditvergabe an die Privatwirtschaft unverändert deutlich unter Vorjahresniveau. Das lag nach Meinung von Beobachtern sowohl an der auch geopolitisch bedingten schwachen Nachfrage der Unternehmen als auch an einer gewissen Zurückhaltung der Banken wegen der laufenden Bilanzprüfung.
"Damit haben die monetären Daten den Druck auf die EZB nicht verringert, sich kurzfristig noch stärker zur Belebung von Konjunktur und Inflation zu engagieren", urteilte BayernLB-Volkswirt Johannes Mayr und setzte hinzu: "Im Umfeld der anhaltend sehr niedrigen Inflation und der schwachen Kreditvergabe erwarten wir nach Veröffentlichung der Ergebnisse zum Bilanzprüfprozess der Banken die Auflage eines begrenzten Ankaufprogramms für ABS-Papiere."
ING-Volkswirt Martin van Vliet sekundierte: "Alles in allem dürften die aktuellen Geldmengen- und Kreditdaten die Hoffnungen auf einen zusätzlichen Stimulus der EZB am Leben erhalten." Dass es dazu bereits in der kommenden Woche kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
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August 28, 2014 06:02 ET (10:02 GMT)
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