Keinen Cent für Erdgas 27.05.2014 17:57:00

Kiew und Moskau steuern auf neuen Krieg ums Gas zu

Seit Monaten zahlt die vor dem Staatsbankrott stehende und durch die Revolution geschwächte Ukraine an Russland keinen Cent für das gelieferte Gas. Die Milliarden-Summen hätte Moskau aber gern für seinen Staatshaushalt. Und den russischen Gas-Bossen ist bei Treffen anzumerken, dass ihnen bald die Hutschnur platzt - wenn nicht noch ein Wunder geschieht.

Schon Anfang nächster Woche - Kremlchef Wladimir Putin hat es angedroht - könnte die Rohstoffmacht der Ukraine den Gashahn zudrehen. Putin erklärte dieser Tage bei einem Treffen mit Vertretern großer Nachrichtenagenturen, darunter dpa, ausführlich, dass es keinen weiteren Aufschub geben könne. "Es ist doch nicht normal, dass Rechnungen nicht bezahlt werden. Wie lange sollen wir noch warten?", sagte er. Nicht einmal Lieferungen, für die starke Rabatte gewährt würden, seien bezahlt worden, klagte der Kremlchef bei einem Bankett im prunkvollen Konstantinpalast nahe St. Petersburg.

Besonders echauffierte sich "Gas-Putin", wie ihn einige in Anspielung auf den Wunderheiler Rasputin aus Zarenzeiten nennen, darüber, dass die Ukraine in den vergangenen Monaten mal eben Gasvorräte abgesaugt habe, die der Jahresliefermenge für Polen entsprächen. Den Vorwurf des Diebstahls freilich weisen die Ukrainer traditionell zurück.

Sollte es wie 2009 zu einem "Krieg ums Gas" kommen, drohen - je nach Länge des Konflikts - auch Engpässe in den EU-Staaten. Anders als damals ist aber diesmal Sommer und der Energieverbrauch geringer. Außerdem war genug Zeit, die Speicher zu füllen. Und diesmal gibt es auch zusätzliche Sicherheit durch die eigens wegen der Dauerkonflikte mit der Ukraine gebaute Ostseepipeline Nord Stream.

Für eine stärkere Nutzung und den Bau neuer Leitungsstränge müsse aber die EU ihre gegen Russland gerichtete Energiepolitik aufgeben, ist im Kreml zu hören. Die Russen stören sich zudem daran, dass Russlands südliches Pipelineprojekt South Stream ebenfalls von der EU boykottiert werde - unter dem Vorwand, die Energie-Abhängigkeit von der Rohstoff-Großmacht nicht noch größer werden zu lassen. Dabei warnt Moskau auch seit langem davor, dass die Ukraine ihre Stellung als Transitland für Europa als Druckmittel ausnutze - nicht zuletzt, um die Gebühren für die Weiterleitung zu erhöhen.

Etwas erleichtert ist Russland darüber, dass es im Streit um ukrainische Gasschulden vor allem Deutschland als größten Energiekunden auf seiner Seite weiß. Dass Rechnungen zu bezahlen sind, sei klar, betonte EU-Energiekommissar Günther Oettinger angesichts von Verhandlungen zwischen Vertretern aus Moskau und Kiew in Berlin. Dass der EU-Vermittler und Russland nun gemeinsam wenigstens eine teilweise Tilgung der Schulden von inzwischen 3,5 Milliarden US-Dollar fordern, stößt der Ukraine bitter auf.

"Unkonstruktiv" nennt Kiews Regierungschef Arseni Jazenjuk die Haltung. Er droht Russland mit einem Verfahren vor dem Stockholmer Schiedsgericht, um den Gaspreis zu drücken. Er will 268 US-Dollar (196 Euro) je 1000 Kubikmeter Gas bezahlen. Das war der Preis inklusive Rabatten, bevor in der Ukraine die prowestliche Revolution ausbrach. Russland strich den "Freundschaftspreis" nach dem Sturz des moskautreuen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar und verlangt nun wieder die vertraglich festgelegten 485,5 Dollar (356 Euro).

Neue Rabatte seien möglich, sagt zwar Russlands Energieminister Alexander Nowak. Dafür müssten aber erst Schulden beglichen werden. Dann seien neue Verhandlungen möglich. Russland erwartet, dass noch diese Woche zwei Milliarden Dollar für die Schuldentilgung eingehen, bis 7. Juni noch einmal 500 Millionen Dollar. Doch die krisengeschüttelte Ukraine besteht weiter darauf, erst ein Gesamtpaket mit Altschulden und neuen Preisen auszuhandeln.

Gazprom-Chef Alexej Miller sagt es deshalb auch am Dienstag noch einmal: "Wenn das Gas nicht bezahlt wird, dann werden wir die Ukraine entsprechend benachrichtigen, dass die Gaslieferungen um 10.00 Uhr am Morgen des 3. Juni auf Null Kubikmeter gesenkt werden." Es bestehe ein "großes Risiko", dass das passiere, meinte der Putin-Vertraute./mau/DP/enl

MOSKAU (dpa-AFX)

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