11.12.2014 13:40:00
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Keuschnigg für radikale Streichung von Mehrwertsteuerbegünstigungen
Die Verbrauchssteuer sollte nur den Konsum belasten. Um die mit den Ausnahmen intendierten Verteilungsziele und die Förderung von gewissen Branchen zu erreichen, gebe es bessere Instrumente, so Keuschnigg, der sich nach zweieinhalb Jahren als IHS-Leiter wieder auf seine Professur an der Universität St. Gallen zurückziehen wird.
"Die zweieinhalb Jahre als Direktor des IHS waren für mich eine unheimliche Erfahrung. Die Auseinandersetzung mit wirtschaftspolitischen Fragen möchte ich nicht missen, es waren gute Jahre", so Keuschnigg. Er erinnerte auch daran, dass es ihm bei der von ihm geplanten Neustrukturierung des IHS darum gegangen sei, aus dem Institut eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsforschungsstelle zu machen. Keuschnigg gestand ein, dass man dabei auch "gute Bereiche" aufgeben hätte müssen. Sein vom IHS-Kuratorium abgelehntes Konzept führte im Herbst dieses Jahres letztlich zu seinem vorzeitigen Rücktritt. "Ich glaube, es ist unbedingt notwendig, dass es mit dem IHS auch in Zukunft einen starken Player gibt", so Keuschnigg.
Einen Großteil seines ausführlichen Abschiedspressegespräches widmete Keuschnigg dem aktuellen Thema Steuerreform. Keuschnigg hätte gerne selbst einen Steuervorschlag gemacht, hat den Auftrag dafür aber nicht bekommen.
Keuschnigg sprach sich für die radikale Streichung von Begünstigungen bei der Mehrwertsteuer aus. Um die mit den Ausnahmen politisch intendierten Verteilungsziele sowie die Förderung von gewissen Branchen zu erreichen, gebe es bessere Instrumente. Dadurch würden bis zu 2 Prozentpunkte für die Senkung der Lohnsteuer zur Verfügung stehen. In Summe gehe es dabei um 2,5 Mrd. Euro, einem Zehntel des Mehrwertsteueraufkommens von 25 Mrd. Euro. Ein Nachteil der begünstigten Mehrwertsteuer sei, dass davon auch Gruppen profitierten, die das nicht bräuchten, etwa wohlhabende Bevölkerungsgruppen.
Wichtig seien auch unechte Befreiungen, bei denen die Begünstigten - beispielsweise Banken, Versicherungen, private Schulen, Ärzte, Theater oder Konzerte - keine Mehrwertsteuer entrichten aber auch keine Vorsteuer zurückholen könnten. Dadurch entstehe in den Unternehmen ein Kostenauftrieb, der den Konsum belaste, mit verhängnisvollen Folgen. So blieben vom gesamten Mehrwertsteueraufkommen von 25 Mrd. Euro 21 Prozent als Vorleistung und 16 Prozent bei Investitionen liegen. Dies wirke sich wachstumshemmend aus. Besser wäre es, Branchen wie etwa den Tourismus gezielt zu fördern. So könnte die Verteilungswirkung des Steuersystems verbessert und die Massen geringer belastet werden. Das Steuersystem insgesamt müsste zielgerichteter und sparsamer gemacht werden.
Die aktuellen Probleme bei der Steuerreformdiskussion würden mit den unterschiedlichen Weltanschauungen zusammenhängen. Unterschiedlich seien deswegen auch die Gegenfinanzierungsmodelle, die einen setzten auf Abgabeneinsparungen, die anderen auf Erb- und Vermögenssteuern.
Sinnvoll wäre es jedenfalls, die Steuerquote runter zu bringen. Eine hohe Steuerquote fördere nur die Schattenwirtschaft oder die Abwanderung ins Ausland und wirke sich negativ auf die Beschäftigungsquote aus.
Im internationalen Vergleich habe Österreich vor allem ein Problem, nämlich bei der Besteuerung von Immobilien - also auch Grundstücken. Hier gehe es hauptsächlich darum, die Einheitswerte wieder an den Verkehrswert heranzubringen, "wie wir es schon hatten". Ein zweites Ziel müsse sein, die Willkür zu beseitigen. Auch dies könnte durch die Annäherung an die Verkehrswerte geschehen.
Zum Thema Privatisierungen meint Keuschnigg, in Österreich gebe es zwar noch viel zu privatisieren, der Staat dürfte aber die Grundversorgung und seine Regulierungsverantwortung nicht aus der Hand geben.
Mit Erb- und Schenkungssteuern müsste anders als mit den allgemeinen Vermögenssteuern umgegangen werden, meinte Keuschnigg. Hier gebe es zwei Herangehensweisen: Entweder werde das Vermögen schon zu Lebzeiten ausreichend besteuert oder gering, und dafür systematisch eine Erbschaftssteuer eingehoben. "Kräftige Kapitalertragssteuern schon zu Lebzeiten und eine Erbschaftssteuer vertragen sich nicht", so Keuschnigg.
Dass das Regieren schwieriger geworden ist, führt Keuschnigg darauf zurück, dass es auch in Österreich zu "italienischen" Verhältnissen gekommen ist, wo es keine dominante Partei mehr gibt. Auch fehle viel Wirtschaftskompetenz. Die Politik reagiere auf öffentlichen Druck stärker als auf Experten, deshalb sei eine unabhängige, investigative Presse wichtig. Diese müsse auch mit Argumenten gespeist werden, etwa von Wirtschaftsforschungsinstituten wie dem IHS. Zudem sei die repräsentative Demokratie nicht das einzig Regierungsmodell. "Wenn die Politik nichts mehr zustande bringt, dann muss der Bürger entscheiden", so Keuschnigg.
(Schluss) ggr/sab
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