22.10.2014 18:58:31

In der EU bahnt sich neuer Haushaltsstreit an

In der Europäischen Union bahnt sich ein neuer Haushaltsstreit an. Das Europaparlament wies am Mittwoch das von den Finanzministern vorgeschlagene Haushaltsvolumen für das kommende Jahr mit sehr großer Mehrheit als unzureichend zurück. Die EU-Volksvertreter fordern eine Aufstockung der Mittel um rund 2,1 auf insgesamt 146,4 Milliarden Euro. Dies geht noch über die Forderung der EU-Kommission hinaus, die im Juni einen Haushaltsentwurf in Höhe von gut 142 Milliarden Euro vorgelegt hatte.

   Das Europaparlament begründet seine Forderung mit dem hohen Schuldenberg der EU, den es auf derzeit 23 Milliarden Euro beziffert. Dadurch könnten ausstehende Rechnungen für bereits erbrachte Leistungen, etwa Forschungsprogramme oder Projekte zur Schaffung von Arbeitsplätzen in ärmeren Regionen, nicht gezahlt werden. Auch das Erasmus-Programm für den Studentenaustausch sei gefährdet, sagten mehrere Abgeordnete.

   Rückendeckung erhielten die Abgeordneten vom neuen Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker. Die EU müsse ihre Rechnungen zahlen, betonte der Luxemburger, dessen Team am Mittwoch vom Europaparlament bestätigt wurde. "Um glaubwürdig zu sein, muss die EU ihren Engagements nachkommen."

   "Die EU steckt in einer Zahlungskrise", warnte die deutsche Grüne und Haushaltsexpertin Helga Trüpel. Wegen der niedrigen Haushaltsabschlüsse der vergangenen Jahre schiebe sie "einen Berg offener Rechnungen" vor sich hin. Im laufenden Jahr seien bereits Hilfsprojekte verschoben worden und Empfänger müssten monatelang auf ihnen zustehende Fördergelder warten.

   Mittlerweile sei ein "Mega-Schuldenberg" angewachsen, kritisierte auch der Haushaltsexperte der sozialdemokratischen Fraktion, Jens Geier (SPD). Dennoch wollten die EU-Regierungen die "chronische Unterfinanzierung" der EU fortsetzen. Dies werde das Europaparlament nicht hinnehmen. "Dieser Schneeballeffekt muss gestoppt werden, sonst wird die Schuldenlawine unkontrollierbar."

   Bereits für das laufende Jahr hatten die EU-Staaten, nach langem Streit mit dem Europaparlament, einen Sparhaushalt in Höhe von 135,5 Milliarden Euro durchgesetzt - dies sind 6,5 Prozent weniger als im Jahr 2013. Wie die EU-Kommission warnten viele Abgeordnete schon damals vor neuen Zahlungsengpässen.

   Im Mai legte die EU-Kommission einen ersten Nachtragshaushalt für 2014 vor und forderte die EU-Staaten auf, knapp 2,2 Milliarden Euro zusätzlich nach Brüssel zu überweisen. Im Juli bezifferte die Brüsseler Behörde die fehlenden Mittel für ausstehende Rechnungen auf 4,7 Milliarden Euro.

   Nach der ersten Lesung beginnen nun die Verhandlungen zwischen Vertretern des Europaparlaments und der EU-Staaten. Parlament und Rat, in dem die 28 Mitgliedsländer vertreten sind, entscheiden gemeinsam über den Haushalt der Gemeinschaft. In der Regel einigen sie sich auf einen Kompromiss. Gelingt dies nicht fristgerecht vor Jahresende, muss die EU mit der sogenannten Zwölftel-Regelung auskommen - das heißt, sie erhält jeden Monat einen Zwölftel des Vorjahreshaushalts.

   Derzeit werden fast 80 Prozent des EU-Haushalts von den Beitragszahlungen der Mitgliedsländer gedeckt, der Rest stammt aus sogenannten Eigenmitteln der EU - dies sind vor allem Zolleinnahmen. Deutschland als größter Nettozahler steuert knapp 20 Prozent zum EU-Haushalt bei.

   Das Europaparlament fordert bereits seit Jahren eine grundlegende Reform der EU-Finanzierung. Nach seinem Willen sollen die Beitragszahlungen zurückgefahren und gleichzeitig die Eigenmittel der EU aufgestockt werden - etwa durch eine CO2-Steuer sowie eine Finanztransaktionssteuer.

AFP

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