11.12.2015 15:13:45
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IfW: Flüchtlingskrise kann Deutschland 55 Milliarden jährlich kosten
Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Ein ungeminderter Zustrom von Flüchtlingen könnte Deutschland nach Berechnungen des IfW jährlich zwischen 25 und 55 Milliarden Euro kosten. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher des Instituts für Weltwirtschaft in einem Szenario, das am Freitag veröffentlicht wurde. Das Institut räumt gleichzeitig allerdings auch ein, dass die Zahlen "natürlich mit großen Unsicherheiten behaftet" seien. Dies gelte insbesondere für die Anzahl der ankommenden Flüchtlinge sowie die Geschwindigkeit, mit der sie sich in den Arbeitsmarkt integrieren.
"Die Finanzpolitik steht angesichts der zusätzlichen Ausgaben vor der größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung", erklärte IfW-Experte Matthias Lücke, beruhigte gleichzeitig jedoch auch: "Die Kosten bleiben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft Deutschlands aber beherrschbar". Selbst im ungünstigsten Fall lägen die Kosten in der Schätzung unter 2 Prozent des BIP.
Für den günstigsten Fall nehmen die Forscher in ihrem Szenario an, dass der Flüchtlingsstrom stark zurückgeht und ab 2018 noch 360.000 Flüchtlinge jährlich nach Deutschland kommen. Die Kosten würden dann dauerhaft rund 25 Milliarden Euro jährlich betragen. "Angesichts der Situation in Syrien und den Krisenländern Irak, Afghanistan und Pakistan ist allerdings kaum mit einer entscheidenden Verbesserung der Lage zu rechnen. Eine vorausschauende öffentliche Finanzplanung sollte daher mit der Möglichkeit eines dauerhaft hohen Flüchtlingszustroms rechnen", erklärte Lücke.
Kämen bis 2020 weiterhin 1 Million Flüchtlinge jährlich nach Deutschland, würden die Kosten bis 2022 laut IfW auf 55 Milliarden Euro jährlich steigen: Von 25,7 Milliarden in 2016 über 43 Milliarden in 2018, knapp 49 Milliarden in 2020 und eben 55 Milliarden in 2022.
Knapp ein Drittel kehrt zurück
Bei ihren Berechnungen gehen die Forscher davon aus, dass 30 Prozent der Flüchtlinge innerhalb von 3 Jahren in ihre Heimatländer zurückkehren. 70 Prozent bleiben dem Szenario zufolge dauerhaft in Deutschland, 20 Prozent aber nur als Geduldete, die sich daher nur sehr langsam in den Arbeitsmarkt integrieren können. Die jährlichen Kosten pro Flüchtling schätzen die Forscher analog zum Deutschen Städtetag auf 13.000 Euro. Dieser Betrag enthalte "die individuellen Ausgaben sowie Ausgaben für Verwaltung und teilweise für Investitionen wie Bau oder Herrichtung von Unterkünften".
Zur Senkung der Kosten empfehlen die Forscher höhere Ausgaben für eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt. Eine zusätzliche Förderung von jährlich 1.000 Euro pro Flüchtling hätte zwar zunächst höhere Kosten zur Folge, würde sich jedoch nach wenigen Jahren auch bei einer nur geringfügig schnelleren Arbeitsmarktintegration auszahlen. Bezogen auf das günstigste Szenario würden die Kosten dann von 25 Milliarden Euro auf knapp 22 Milliarden Euro jährlich sinken.
Schnellere Verfahren sparen Geld
Noch stärker würden die Kosten laut IfW bei einer "deutlichen Straffung" der Asylverfahren sinken. Der Teil mit Bleiberecht könnte dann schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden, für den anderen Teil würde es aber die Abschiebung bedeuten. "Politisch werden allerdings mehr Abschiebungen in unsichere Heimatländer schwer durchsetzbar sein, so dass wir dieses Szenario nicht ohne weiteres für umsetzbar halten", sagte Lücke.
Insgesamt gehen die Forscher nicht davon aus, dass es in Deutschland durch den Flüchtlingszuzug zu positiven Wohlfahrtseffekten für die heimische Bevölkerung kommt. "Zwar werden Güternachfrage und Wirtschaftskraft erhöht, gleichzeitig steigen aber auch die Sozialausgaben und die Bevölkerungszahl", erklärte Lücke.
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com
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December 11, 2015 08:54 ET (13:54 GMT)
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