11.10.2013 19:35:37

IWF warnt Europäer nach Erfolgen vor Selbstgefälligkeit

    WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach vielen Fortschritten im Kampf gegen die Schuldenkrise warnt der Internationale Währungsfonds (IWF) die Euroländer vor Selbstgefälligkeit. Der Eindruck, das Schlimmste sei vorbei, könne sich als Täuschung erweisen, sagte der Chefvolkswirt der Organisation, Olivier Blanchard, dem "Handelsblatt" (Freitag). Weitere Strukturreformen seien nötig, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Vor allem Krisenstaaten wie Griechenland und Spanien seien trotz beachtlicher Erfolge längst nicht über den Berg, machte der IWF am Freitag bei seiner Jahrestagung in Washington klar.

    Von der Bundesrepublik würden manche gern mehr Engagement für Europa sehen, sagte Blanchard der Zeitung. "Ich wünschte mir, dass der Akzent stärker auf die Frage gesetzt wird: Wie können wir den Euro stärken?" Die Deutschen müssten verstehen, dass es bei der Eurorettung aus Sicht des IWF darum gehe, ein Versicherungssystem zu schaffen, keine Transferunion. Das könne auch Deutschland einmal helfen: "Mal brennt es beim Nachbarn, mal im eigenen Haus", sagte Blanchard.

    Vor allem das hoch verschuldete Griechenland steht bei dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 188 IWF-Mitgliedsländer erneut im Fokus. Athen wird nach Ansicht des Chefs des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, wohl ein drittes Hilfspaket benötigen. Es zeichne sich ab, dass sich Griechenland 2014 noch nicht selbstständig am Markt Geld borgen könne über neue Staatsanleihen, bekräftigte Regling am Donnerstag (Ortszeit) in Washington. Die Europäer hatten weitere Hilfen zugesagt, wenn Griechenland die Bedingungen dafür erfüllt.

    Ob das Krisenland seine Verpflichtungen beim Schuldenabbau und den Strukturreformen einhalten werde, könne derzeit noch nicht beurteilt werden, sagte Reza Moghadam, Direktor der Europa-Abteilung beim IWF. "Es wird einen Zeitpunkt geben, um das zu prüfen. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt. Er ist vielleicht Mitte kommenden Jahres." Eine derzeit auf Eis liegende Prüfmission werde Ende dieses Monats fortgesetzt.

    Moghadam lobte aber die "enormen Anstrengungen" des Staates beim Kampf gegen die Krise. "Dass für Griechenland in diesem Jahr früher als erwartet ein Primärüberschuss erwartet wird, das ist eine beachtliche Leistung". Doch angesichts des Berges an Problemen liege vor dem Land noch ein sehr weiter Weg.

    Das aktuelle Griechenland-Programm der Europäer hat eine Laufzeit bis Ende 2014, der IWF gewährt noch bis zum 1. Quartal 2016 Hilfen. Über ein mögliches drittes Hilfspaket wollen die Europäer nach jetzigem Stand Mitte nächsten Jahres entscheiden. Zuletzt wurde über eine Größenordnung von zehn bis elf Milliarden Euro spekuliert. Möglich sind Kreditverlängerungen und weitere Zinsnachlässe. Einen Schuldenschnitt, der zulasten der öffentlicher Geldgeber gehen würde, lehnt Berlin strikt ab.

    Im laufenden Programm muss bis Ende 2014 noch eine Lücke von 4 bis 4,5 Milliarden Euro geschlossen werden. Diese war in der Vergangenheit mit der bisher schleppenden Privatisierung begründet worden sowie mit Problemen bei der Rückführung von Gewinnen nationaler Notenbanken aus dem Ankauf griechischer Anleihen an Athen.

    Berichte, dass der IWF weitere milliardenschwere Einsparungen von Athen fordere, bestätigten sich bei der Jahrestagung zunächst nicht. Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde betonte, dass in einem solchen Fall keine "ungesteuerten Einschnitte bei den Löhnen und Renten" gefordert und auch keine neuen Haushaltsvorgaben gemacht würden./sl/DP/jsl

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