27.09.2016 15:13:46

IWF: Industrieländer sollten Kampf für Inflation koordinieren

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT/WASHINGTON (Dow Jones)-- Der Internationale Währungsfonds (IWF) macht sich große Sorgen wegen der weltweit niedrigen Inflation. In einem vorab veröffentlichten Artikel seines aktuellen Weltwirtschaftsberichts fordert der IWF die großen Industrieländer auf, ihre Bemühungen um mehr Inflation zu verstärken und untereinander abzustimmen. Die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik sei in Gefahr, aber die Geldpolitik alleine könne das Problem sinkender Inflationsraten und rückläufiger Inflationserwartungen nicht mehr lösen.

   Ein Paradebeispiel für die Befürchtungen des IWF ist der Euroraum. Hier ist die Inflationsrate von über 3 Prozent im Jahr 2011 auf 0 Prozent Ende 2014 gesunken. Seither schwankt sie eng um die Null-Linie, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) seither ihr herkömmliches geldpolitischen Arsenal ausgeschöpft und ihr Instrumentarium erheblich erweitert hat.

   Der Grund dafür ist vor allem der starke Rückgang des Ölpreises, aber auch eine allgemein schwache Konjunktur. Der IWF sieht natürlich, dass die EZB nichts gegen einen sinkenden Ölpreis ausrichten kann. Er befürchtet aber, dass das Vertrauen in die Fähigkeit der Zentralbank zur Inflationssteuerung nachhaltig Schaden nehmen könnte.

Vertrauen in Zentralbank ist entscheidend für Preisstabilität "Das Risiko, dass sinkende Inflationsraten zu Deflation oder anhaltend niedriger Inflation führen, hängt eng mit der Frage zusammen, ob einer Zentralbank zugetraut wird, die Inflation nach Abklingen der dämpfenden Effekte wieder an den Zielwert heranzuführen", heißt es in dem Bericht.

   In der Eurozone fallen seit 2014 nicht nur die Inflationsraten, sondern auch die Erwartungen für die künftige Inflationsentwicklung. So ist die aus Swapsätzen abgeleitete Inflationserwartung in fünf Jahren für die darauf folgenden fünf Jahre von über 2 Prozent bis auf unter 1,5 Prozent zurückgegangen. Etwas besser halten sich die umfragebasierten Erwartungen.

   Abgesehen davon, dass die EZB ihre Geldpolitik bereits massiv gelockert hat - der Einlagenzins ist negativ und Zentralbanken des Eurosystems kaufen monatlichen Anleihen für 80 Milliarden Euro -, sieht der IWF noch ein anderes Problem: "Weil Disinflation weltweit verbreitet ist und die Geldpolitik in vielen Ländern entsprechend reagiert, ist ihr Einfluss auf den Wechselkurs möglicherweise nicht groß genug, um die Inflationserwartungen im Zielwert zu verankern."

Drei Ratschläge hat der IWF für die großen Industrieländer: 1. Geldpolitik eventuell weiter lockern.

   Die Geldpolitik sollte tatsächlich so locker sein, wie das nötig ist. Und der IWF bezweifelt offenbar, dass das überall der Fall ist. Zwar hätten die Zentralbanken nach der Finanz- und Wirtschaftskrise teilweise außerordentliche Maßnahmen ergriffen und damit für höhere Inflationserwartungen gesorgt. Doch seien die Schätzungen dafür, wo der so genannte "natürliche Zins" liegt, ebenfalls deutlich nach unten revidiert worden. "Die Geldpolitik könnte daher weniger akkommodierend sein als bisher angenommen", warnt der IWF.

   Weiter heißt es in dem Bericht: "Eine glaubwürdige und transparente Zusage, die Inflation leicht und zeitlich begrenzt über den Zielwert hinaus steigen zu lassen, wäre ein guter Schutz gegen Deflations- und Rezessionsrisiken, weil sie die längerfristigen Realzinsen reduzieren könnte, selbst wenn die Nominalzinsen ihre effektive Untergrenze erreicht haben sollten." Zu dieser Methode hat jüngst erst die Bank of Japan gegriffen.

   2. Expansive Ausgabenpolitik

   Der IWF plädiert für ein umfassendes Paket von Maßnahmen, die einen wachstumsfreundlicheren Mix der Finanzpolitik, eine insgesamt expansivere Ausrichtung der Finanzpolitik und nachfragewirksame Strukturreformen umfassen sollten. Zudem sollten die Probleme in den Bilanzen von Unternehmen und Banken angegangen werden. Ländern mit stagnierenden Löhnen und einer schon verfestigten Deflationsdynamik rät der IWF zu einer expliziten Einkommenspolitik.

   3. Überkapazitäten abbauen

   Der IWF warnt, dass ein Festhalten an Überkapazitäten bei der Güterherstellung die Ressourcenallokation behindern würde. Falls diese Überkapazitäten kreditfinanziert seien, schwächten sie überdies die Asset-Qualität des Bankensystems. Außerdem erzeugten sie Disinflationsdruck, der über die Importpreise grenzüberschreitend wirken könnte.

   4. Makropolitik international koordinieren

   Die Breite der Disinflation und die Anzeichen für ihr grenzüberschreitendes Wirken sprechen aus Sicht des IWF dafür, dass die größeren Volkswirtschaften ihre Bemühungen um mehr Nachfrage koordinieren. "Länderübergreifende Aktionen würden grenzüberschreitend wirken und die Effekte der nationalen Maßnahmen verstärken", meint der IWF. "Koordinierte und gleichzeitige Maßnahmen in Industrieländern gegen schwache Nachfrage und Inflation und verstärkte Anstrengungen zum Abbau von Überkapazitäten wären wirksamer als rein nationale Vorhaben."

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

   DJG/hab/smh

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   September 27, 2016 09:00 ET (13:00 GMT)

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