11.03.2015 06:00:00

IVA-Rasinger bezeichnet 30 Prozent hohe KESt als "bittere Pille"

Der Anlegerschützer Wilhelm Rasinger rechnet mit einer Einigung der Koalition auf eine Steuerreform. Einen "großen Durchbruch" erwartet der Präsident des Interessenverbands für Anleger (IVA) dabei nicht, sondern vielmehr eine Lösung, mit der beide Koalitionspartner leben können.

Die zuletzt laut Medienberichten von SPÖ-Politikern angedachte Anhebung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf 30 Prozent wäre für den Anlegerschützer eine "sehr bittere Pille", die man aber "wohl oder übel" gerade noch schlucken kann. Weitere Anhebungen über 30 Prozent wären aber problematisch, erklärte Rasinger im Rahmen des von Wiener Börse AG und Aktienforum veranstalteten Financial Community Club.

Nichts hält Rasinger allerdings von einer unterschiedlichen Besteuerung von Sparzinsen und Erträgen aus Dividenden und Kursgewinnen. "Die Differenzierung zu Spareinlagen ist in der Praxis oft gar nicht leicht", so Rasinger. Eine derartige Trennung würde einen höheren Administrationsaufwand bringen und wäre auch kontraproduktiv für die heimische Kapitalmarktkultur.

Während Sparbücher in Österreich weiter sehr populär sind, investieren nur vergleichsweise wenige Österreicher in Aktien. Im internationalen Vergleich sei das Bewusstsein um die Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarkts für Wirtschaft und Arbeitsplätze in der Bevölkerung noch viel zu wenig verankert.

"Ich erwarte mir endlich einmal ein klares Bekenntnis zum Kapitalmarkt", sieht Rasinger hier die Politik gefordert. Auch bei der Ausbildung gebe es Nachholbedarf, in weiten Teilen der Bevölkerung fehlten nötige Basiskenntnisse und ein grundlegendes Verständnis für das Wesen von Ertrag und Risiko. "Ich habe selbst an Fachhochschulen unterrichtet und gesehen, dass viele Leute dort nicht einmal Prozentrechnen können", erzählt Rasinger.

Einen Mitgrund für die schwach ausgeprägte Kapitalmarktkultur in Österreich sieht Rasinger im vergleichsweise hohen Anteil von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs). Viele heimische KMUs würden derzeit den Gang an die Börse scheuen, auch wegen der damit verbundenen Publizitätspflichten, so Rasinger. Dabei würden aber Beispiele wie Mayr Melnhof zeigen, dass sich börsenotierte Unternehmen mit einer stabilen Kernaktionärsfamilie "hervorragend" am heimischen Kapitalmarkt entwickeln können.

Rasinger wünscht sich daher die Einrichtung eines eigenen Marktsegments für kleinere Betriebe mit weniger strengen Adhoc-Verpflichtungen. Auch ein täglicher Handel der Papiere wäre in einem derartigen KMU-Segment für Rasinger nicht notwendig, selbst wenn dies mit beschränkter Liquidität der Werte einherginge und - mangels jederzeitiger Ein- und Ausstiegsmöglichkeit - Investoren abschrecken könnte.

"Ich bin kein Liquiditäts-Fetischist", so der Anlegerschützer. Der typische heimische Anleger sei ohnedies langfristig investiert und brauche nicht zwingend tägliche Kursfestsetzungen. "Ich will auch nicht jeden Tag wissen, wie viel meine Eigentumswohnung wert ist", so Rasinger.

Auch angesichts der schrumpfenden Zahl an Privatisierungskandidaten wären Börsengänge von KMUs für den heimischen Finanzplatz für Rasinger wichtig. Optimistisch äußerte er sich zur Umwandlung der Staatsholding ÖIAG zur ÖBIB (Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH) "Ich weine der ÖIAG in ihrem jetzigen Zustand keine Träne nach", so Rasinger. Die ÖIAG habe in der Vergangenheit viel für den Kapitalmarkt getan, die meisten Privatisierungen seien Erfolge gewesen, die alte Struktur der ÖIAG aber für die jetzige Zeit nicht mehr adäquat.

Das Potenzial für Crowdfunding-Plattformen als neue Investitions- und Finanzierungsform sieht Rasinger nur sehr begrenzt. Crowdfunding ist für ihn ein "Nebenthema", das stark von Einzelpersönlichkeiten lebt. Hier würden aber noch gesetzliche Regelungen zum Anlegerschutz fehlen, so Rasinger: "Ich fürchte mich vor dem ersten Bauchfleck."

(Schluss) mik/ivn

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