07.01.2015 13:27:32

IMK will Krisenländern mit öffentlichem Investitionsprogramm helfen

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Das gewerkschaftsnahe Konjunkturforschungsinstitut IMK hat angesichts der jüngsten Debatte um Griechenland ein "nennenswertes öffentlich finanziertes Investitionsprogramm" verlangt, um das Wachstum in Europa zu erhöhen und Deflationsgefahren zu bekämpfen. Das würde auch besonders Griechenland helfen, ist Institutsleiter Gustav Horn überzeugt.

   "Es ist, wie die jüngsten Debatten zeigen, tatsächlich so, dass die Krise des Euroraums weiter schwelt," sagte Horn bei einer Pressekonferenz. "Die Investitionsschwäche zu überwinden, muss für Europa in diesem Jahr Ziel Nummer eins sein", forderte er. "Wir brauchen einen Nachfrageimpuls, der die Binnennachfrage auch in den Krisenländern wieder nach vorn bringt." Nachdem die Geldpolitik mit ihren Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone "am Ende der Fahnenstange angelangt" sei, müsse es nun eine fiskalpolitische Flankierung geben, erklärte der Wissenschaftliche Direktor des zur Hans-Böckler-Stiftung zählenden Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

   Bei der Pressekonferenz in Berlin übte Horn scharfe Kritik an der Debatte um einen Euro-Austritt Griechenlands, die er als "absolut schädlich" bezeichnete. "Es würde wirtschaftspolitisch schlecht sein und politisch verheerend", meinte er. Griechenland müsste in dem Fall aus der Europäischen Union ausscheiden, und massive Vermögensverluste für europäische Steuerzahler wären aus seiner Sicht ebenso die Folge wie erhebliche weitere Verarmungsprobleme in Griechenland. Den Vorschlag des Präsidenten des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, für einen zeitweisen Euro-Austritt des Landes wies Horn als "mechanistische Betrachtungsweise" zurück. Gerade Griechenland würden aber stärkere europäische Fiskalmaßnahmen nützen, betonte er.

   Für eine erfolgversprechende Investitionsoffensive müssten die Euro-Länder deshalb nach der Forderung des IMK in den kommenden drei Jahren mindestens 100 Milliarden Euro jährlich aus öffentlichen Mitteln ausgeben. Horn betonte, mit einem solchen Investitionsprogramm ließen sich zwei Ziele erreichen: "Erstens könnte gerade Deutschland endlich ernsthaft beginnen, den wachstumsschädlichen Investitionsstau in seiner Infrastruktur aufzulösen", sagte er. "Zweitens zieht das Wachstum in Europa kurzfristig spürbar an - das beste Mittel, um die Deflationsgefahr zu reduzieren."

   Weil die Offensive Beschäftigung, privaten Konsum und Unternehmensinvestitionen stärke, falle die Wachstumswirkung zudem deutlich höher aus als der gesetzte Impuls, erklärten die Ökonomen. Eine Ausdehnung der öffentlichen Investitionen um 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) über drei Jahre würde die Wirtschaftsleistung des Euroraums nach ihren Berechnungen im Schnitt um 1,6 Prozent erhöhen. Da das höhere Wachstum für mehr Steuereinnahmen sorge und die Inflation antreibe, prognostizieren die Forscher eine "weitgehende Selbstfinanzierung" des Programms.

   Ein BIP-Wachstum von 1,4 Prozent im Durchschnitt der Euro-Länder, mit dem das IMK in diesem Jahr rechne, "darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise des Euroraums damit noch keinesfalls überwunden ist", warnten die Ökonomen.

   Für Deutschland prognostizieren sie ein Wachstum von 1,6 Prozent. Dazu tragen nach ihrer Analyse neben einem stabilen privaten Konsum im Inland, der auf einer positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt und steigenden Löhnen fuße, ein stärkerer Export und eine moderate Belebung der Investitionen bei. Doch sei derzeit noch kein selbsttragender Aufschwung in Sicht, warnten sie. Wesentlicher Grund dafür sei eine weiterhin fragile Lage in weiten Teilen Europas.

   Das IMK liegt mit seiner Prognose, die die Ökonomen bereits Mitte Dezember stellten und am Mittwoch bekräftigten, deutlich über der Einschätzung der von der Bundesregierung beauftragten führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die bei ihrem Herbstgutachten im Oktober einen Zuwachs um 1,2 Prozent gesehen hatten. Die Aussichten für 2015 seien "nicht schlecht, wenn auch nicht überschäumend", hieß es von den Düsseldorfer Ökonomen. Jedoch dürfe man sich beim Blick auf Europa "nicht von der relativ guten Entwicklung in Deutschland täuschen lassen", mahnte Horn.

   Die Bundesregierung selbst rechnet bisher für dieses Jahr mit einem Zuwachs des BIP von 1,3 Prozent. Nun wird aber mit Spannung die neue Projektion des Kabinetts erwartet, die dieses mit dem Jahreswirtschaftsbericht am 28. Januar veröffentlichen will - und die höher ausfallen könnte.

   Verantwortlich für die etwas bessere Lage der deutschen Wirtschaft ist auch der niedrige Ölpreis, der das BIP allein um mehrere Zehntel Prozentpunkte kräftiger anschieben dürfte. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hatte bereits Ende Dezember in der Welt am Sonntag allein wegen des niedrigeren Ölpreises "um bis zu 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte" mehr Wachstum erwartet als ohne diesen Effekt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte ebenfalls konstatiert, der gegenwärtig niedrige Ölpreis stimuliere die Wirtschaft.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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