Rettung steht auf Kippe 13.08.2015 20:20:45

Hartes Ringen um Griechenland-Rettung

Das deutsche Bundesfinanzministerium meldete erneut Fragebedarf an, torpediert wird die Vereinbarung durch eine ziemlich schlechte Schuldentragfähigkeitsanalyse, die am Donnerstag bekannt wurde.

   Griechenland braucht laut den neuesten Schätzungen seiner Geldgeber bis Ende Oktober möglicherweise bis zu 41 Milliarden Euro frischen Kredit, um seine Schulden zu bedienen und den Bankensektor zu rekapitalisieren. Diese Summe nennen die Institutionen - Europäische Zentralbank, EU-Kommission, Euro-Rettungsschirm ESM und Internationaler Währungsfonds (IWF) - in ihrer Finanzbedarfsschätzung für das dritte Griechenland-Hilfsprogramm, in die Dow Jones Newswires Einblick hatte.

   Der gesamte griechische Finanzbedarf wird in dem Papier, über das die Finanzminister der Eurogruppe am Freitag beraten wollen, auf "bis zu 86 Milliarden Euro" beziffert. Die Institutionen raten darin zu der Auszahlung von 25 Milliarden Euro für die Bankenrekapitalisierung und 16 Milliarden Euro vornehmlich für Schuldentilgung und Zinsen bis Ende Oktober.

Euro-Finanzminister entscheiden am Freitag Berlin fordert aber, die Auszahlung Zug um Zug mit der Umsetzung von Reformen vorzunehmen. Als eine Option ist in dem Papier deshalb vorgesehen, bei Annahme des ESM-Programms zunächst nur eine erste Sub-Tranche von rund 13 Milliarden Euro freizugeben.

   Bundestagspräsident Norbert Lammert avisierte schon Termine für eine Sondersitzung des Parlaments in der kommenden Woche, doch könnte es dabei eine Menge Nein-Sager geben. Die Lage ist derzeit unter dem Strich eher ungünstig für die Hellenen; alles konzentriert sich damit auf die Sitzung der Euro-Finanzminister, die am Freitag für mehr Klarheit sorgen soll.

   Im Vorfeld nahmen dazu die deutschen Besorgnisse aber nicht ab. "Eine Einigung wäre wünschenswert, ist aber kein Selbstläufer" erklärte Fraktionsvize Ralph Brinkhaus. Bis zur Eurogruppensitzung seien noch wichtige Fragen zu klären - zum Beispiel, ob die Konditionalitäten für weitere Hilfen vom IWF mitgetragen würden. Auch müsse die Schuldentragfähigkeit gewährleistet sein. "Da viele Maßnahmen erst ab dem Herbst umgesetzt werden sollen, sollte die Anfangstranche entsprechend geringer bemessen sein", forderte der CDU-Politiker.

"Ernste Sorgen" über Schuldenberg In ihrer dreiseitigen Analyse bewerten EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro-Rettungsfonds ESM die künftige Verschuldung Griechenlands wesentlich pessimistischer als bisher. Es gebe "ernste Sorgen" über die Schuldentragfähigkeit, heißt es in dem Dokument.

   Selbst wenn Athen das geplante Reformprogramm komplett umsetzt und wie vorgesehen 13,9 Milliarden Euro aus der Privatisierung von Staatsbesitz erlöst, dürfte die griechische Verschuldung im Jahr 2022 nach der jüngsten Berechnung bei 159,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen. Ursprüngliches Ziel der Euroländer war es aber, die Verschuldung Griechenlands bis dahin auf unter 110 Prozent des BIP zu bringen. Dieses offenbar zu ehrgeizige Niveau wurde damals auch in Aussicht gestellt, um den IWF an Bord zu halten.

Problemfall IWF Der Washingtoner Währungsfonds entwickelt sich allerdings erneut zum großen Unbekannten auf der Milliardenrechnung. Um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, unterbreiten die Institutionen zwei Vorschläge: Die Eurozone-Regierungen sollen sich erneut darauf verständigen, Gewinne aus dem Handel mit griechischen Staatsanleihen an die griechische Zentralbank zu überweisen. Das passiert schon und dürfte unstrittig sein.

   Zusätzlich soll Athen mehr Zeit zur Rückzahlung von Rettungskrediten und Zinsen bekommen. Dadurch könne möglicherweise ein klassischer Schuldenschnitt verhindert werden, heißt es in dem Dokument.

   Doch genau für einen solchen Haircut plädiert der IWF. Die Euro-Regierungen hingegen schließen einen Schuldenschnitt aus. Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könnten sich allenfalls für längere Laufzeiten erwärmen.

Verhärtete Fronten Die Fronten in dieser Frage sind verhärtet. In der dreiseitigen Analyse jedenfalls werden die Einschätzungen des IWF nicht aufgeführt - was auf erneute Differenzen zwischen dem Fonds und den Partnern aus Europa schließen lässt.

   Dass es Probleme mit dem IWF gibt, räumte am Donnerstag auch Finanz-Staatsekretär Jens Spahn ein. Neben der Klärung offener Fragen zur Grundsatzvereinbarung mit Griechenland müsse auch noch über ein gemeinsames Verständnis von IWF und den europäischen Institutionen diskutiert werden, was die Schuldentragfähigkeit und die Entwicklung des Haushaltsüberschusses in Griechenland angehe, sagte er. "Aus unserer Sicht ist wichtig, dass der IWF mit an Bord bleibt", bekräftigte der CDU-Politiker im Interview mit dem Deutschlandfunk.

   Spahn fordert bereits jetzt ein klares Bekenntnis des IWF, "dass es eine gemeinsame Bewertung gibt und wir diesen Weg gemeinsam gehen". Denn eine Entscheidung des Währungsfonds wird erst für den Herbst erwartet.

   Allerdings ist der IWF an der ersten geplanten Tranche für Griechenland ohnehin nicht beteiligt, diese soll allein aus ESM-Mitteln gestemmt werden. Das verschafft beiden Seiten Zeit, eine Lösung zu finden. Die könnte in Laufzeiten liegen, die so extrem gestreckt sind, dass sie einem klassischen Haircut nahekommen.

Bundestag wohl am Dienstag oder Mittwoch Spahn erklärte, auch Frankreich beispielsweise halte beim geplanten Privatisierungsfonds in Athen noch eine weitere Detaillierung für notwendig. Deshalb gebe es am Freitag das Treffen der Eurogruppe in Brüssel. "Dann wird man wissen, ob wir als Bundesregierung einen Antrag an den Bundestag stellen, dieses Programm tatsächlich zu machen", sagte Spahn.

   Bundestagspräsident Lammert stimmte die Abgeordneten vorsorglich auf Mitte nächster Woche als Termin für eine Sondersitzung ein. Dienstag oder Mittwoch nannte der CDU-Politiker in einem Schreiben als mögliche Sitzungstage, wie Dow Jones Newswires aus Parlamentskreisen bestätigt wurde.

   Demnach könnten die Fraktionen im Bundestag frühestens am Montag zu Beratungssitzungen zusammenkommen und am Dienstag über das Paket abstimmen. Die Zeit drängt, denn Athen muss am 20. August 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Sollte das Paket bis dahin nicht stehen, ist eine erneute Brückenfinanzierung nicht ausgeschlossen.

   Denkzettel für Merkel durch Abweichler in Sicht

   Beobachter in Berlin gehen davon aus, dass Kanzlerin Merkel die notwendige Zustimmung für ein drittes Paket bekommen wird. Dafür spricht allein schon die komfortable Mehrheit von Union und SPD, die im Bundestag auf 504 von insgesamt 631 Sitzen kommt.

   Doch die Abstimmung könnte auch zu einem Signal gegen den Kurs von Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der CDU/CSU werden. Bereits bei der letzten Abstimmung zu Griechenland votierten Mitte Juli 60 Unions-Abgeordnete gegen weitere Hilfen. Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch geht davon aus, dass bei der nächsten Abstimmung "noch weitere Abweichler hinzukommen", wie er Focus Online sagte.

   In Athen kam derweil am Donnerstag das Parlament zu Beratungen über die umfangreichen Reformmaßnahmen zusammen, die Bedingung für weitere Milliardenhilfen sind. Zu Beginn gab es weitere schlechte Nachrichten: Die Rezession in Griechenland und die im Juni verhängten Kapitalverkehrskontrollen haben die Einnahmen des griechischen Staates im Juli spürbar ausgetrocknet. Sie blieben um 40 Prozent hinter den Planungen zurück.

Dow Jones

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