29.06.2015 10:39:00

Schneider: Bei Staatsbankrott Griechenlands droht Weg ins Tal der Tränen

Den Griechen droht aus Sicht des Linzer Volkswirtschafters Friedrich Schneider der Weg durch ein Tal der Tränen, sollte ihr Land den Staatsbankrott erleiden. "Und ein Staatsbankrott ist leider sehr realistisch", so der Fachmann im APA-Interview. "Vernünftig" sei immerhin der Schritt, die Banken eine Woche geschlossen zu lassen sowie Kapitalverkehrskontrollen und ein Behebungslimit einzuführen.

Schneider äußerte Unverständnis für das Vorgehen der griechischen Regierung in den vergangenen vier Monaten. Sie habe es verabsäumt naheliegene Schritte umzusetzen. "Ich verstehe gerade bei einer linken Regierung nicht, wieso sie nicht mehr Aktionen einnahmenseitig, gegen Steuerausfälle, Steuerflucht und vielleicht eine gerechtere Besteuerung von wohlhabenderen Griechen gesetzt hat. Es gibt beispielsweise kein Steuerabkommen mit der Schweiz", so Schneider. "Vielleicht ist das ein Preis für die Koalition mit den Rechtspopulisten."

Der Bankrott sei realistisch, weil die griechische Regierung kurz gesagt zu viel wolle - "einen neuen kräftigen Schuldenschnitt und zusätzliche Hilfen der EU - das ist mit den derzeitigen Regeln undenkbar und würde in Spanien, Portugal und Irland auf krasses Unverständnis stoßen. Auch Finnland, die Slowakei und Slowenien würden das ähnlich sehen - wie auch Deutschland, dass den Griechen schon sehr weit entgegengekommen ist."

Also gebe es wenig Möglichkeiten eine Pleite zu verhindern - "außer die griechische Regierung zaubert plötzlich noch ein Konzept aus dem Hut, hinter dem das Parlament steht, aber daran glaube ich nicht", so der Linzer Universitätsprofessor. Am realistischsten sei wahrscheinlich die "Einführung einer Parallelwährung, die etwa 30, 40 Prozent gegenüber dem Euro abwertet samt Kapitalverkehrskontrollen - und dann ist zu überlegen, ob das Land nicht aus der EU austreten muss, denn aus dem Euro kann es ja gar nicht austreten."

Vieles hänge aber noch davon ab, wie die EZB ihre Hilfen mit den gegebenen Limits fortführe - für die es aber ab morgen, Dienstag, keine Rechtsgrundlage mehr gebe. "Da sind viele Faktoren offen, dass aktuelle Einschätzungen auch Kaffeesudleserei sind", sagte Schneider.

Die kurzfristige Verkündung einer Volksabstimmung in Griechenland kommenden Sonntag bezeichnete Schneider als "einmalig und nicht zielführend". Eine solche wäre nur möglich, wenn tatsächlich etwas ausverhandelt wäre. Die griechische Regierung sage aber schon vorher, das Volks solle ablehnen, was die EU will. "Offen ist auch, ob die Regierung überhaupt überlebt. Wenn die Volksabstimmung gegen sie ausgeht, hat sie wohl auch keine Basis mehr."

Dass die europäischen Börsen am Montagvormittag praktisch allesamt um rund 5 Prozent im Minus waren, erschreckte Schneider hingegen nicht. "Das ist nicht so erstaunlich, kann aufgeholt werden." Die wirtschaftlichen Folgen seien für die EU bzw. Eurozone "viel geringer als für Griechenland". Politisch gebe es aber langfristig das Problem, dass womöglich ein Land die EU verlasse, so Schneider.

(Das Gespräch führte Philip Stotter/APA)

(Schluss) phs/sp

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