08.10.2013 12:58:33

Griechenland-Rettung offenbart tiefe Risse im IWF

   Von Thomas Catan und Ian Talley

   Hätte Griechenland im Jahr 2010 jemals ein milliardenschweres Rettungspaket bekommen dürfen? Recherchen des Wall Street Journal zeigen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) intern tief gespalten war, ob die damals beschlossenen immensen Finanzhilfen der griechischen Wirtschaft überhaupt helfen würden. Trotzdem gewährte der Fonds das Geld.

   Was geheime Unterlagen jetzt belegen, steht im Widerspruch zu den öffentlichen Aussagen des IWF und könnte die aktuelle Diskussion um einen möglichen Schuldenerlass für Griechenland zusätzlich aufheizen. Deutschland und andere europäische Staaten lehnen einen Schuldenschnitt für die Regierung in Athen ab, um die eigenen Steuerzahler zu schonen. Trotzdem könnte es letztlich zu einem Schuldenerlass kommen, weil der IWF künftig nur noch dann Finanzhilfe an Griechenland überweisen will, wenn der Schuldenberg des Landes insgesamt erheblich sinkt.

   Das Thema wird ganz oben auf der Agenda stehen, wenn Finanzminister aus aller Welt in dieser Woche zum Jahrestreffen des IWF in Washington zusammenkommen.

   Dass sich der IWF so entschlossen für einen Schuldenabbau in Griechenland einsetzt, liegt nach Auskunft einiger Fondsvertreter unter anderem daran, dass die große Rettungsaktion von Anfang an heftig umstritten war. Das IWF-Exekutivdirektorium beschloss das Finanzpaket für Griechenland am 9. Mai 2010. Aber die entsprechenden Beschlussakten - Unterlagen mit dem Vermerk "Geheim" oder "Streng vertraulich", in die das Wall Street Journal Einblick hatte - bieten einen seltenen Einblick in die internen Abläufe des IWF, die damals ein sich rasch ausweitendes Finanzdisaster vermeiden sollten.

   Fast ein Drittel aller Mitglieder in dem Gremium, die zusammen mehr als 40 außereuropäische Staaten repräsentieren, hatten den Akten zufolge damals erhebliche Bedenken gegen den griechischen Rettungsschirm. Viele wandten ein, dass das Rettungsprogramm den Griechen die ganze Last der Veränderungen aufbürde, von den europäischen Gläubigern hingegen gar nichts verlange. Mehrere IWF-Vertreter sagten damals, die Rettungsaktion würde schief gehen, wenn die Gläubiger Griechenland nicht gleichzeitig einen Teil seiner schwindelerregenden Schulden erlassen würden.

   Den amerikanischen und den meisten europäischen Direktoren, die mehr als die Hälfte der Stimmrechte im IWF auf sich vereinten, gelang es damals aber, genügend Unterstützer für das Rettungsprogramm zu gewinnen.

   Die Zweifler sollten Recht behalten. Griechenland schaffte die vereinbarten Finanzziele nicht und benötigte im Jahr 2012 einen weiteren Rettungsschirm. Die verbliebenen privaten Gläubiger mussten daraufhin bei der größten je erfolgten Umschuldung Verluste hinnehmen.

   Im Juni 2013 räumte der IWF in einem eigenen Bericht "beachtliche Versäumnisse" bei der Rettung Griechenlands ein, obwohl der Fonds im Allgemeinen schon den richtigen politischen Kurs eingeschlagen habe. "Eine Schuldenrestrukturierung von Anfang an wäre für Griechenland besser gewesen, obwohl das für die Euro-Partner nicht akzeptabel war", heißt es in dem Bericht.

   Rückblickend, so konstatiert darin der IWF, "funktionierte das Programm wie eine Hinhalte-Operation", die es privaten Gläubigern ermöglicht habe, griechische Schulden in ihrem Besitz zu reduzieren, während "Steuerzahler und die öffentliche Hand festsaßen".

   (Diese Meldung und weitere tiefergehende Berichte und Analysen zu aktuellen Wirtschafts- und Finanzthemen finden Sie auf WSJ.de, dem deutschsprachigen Online-Angebot des Wall Street Journal.)

   DJG/WSJ/sgs/apo

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   October 08, 2013 06:40 ET (10:40 GMT)

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