07.01.2015 15:10:00
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"Grexit" - Aiginger zu Ifo-Chef: Rückkehr zu Kerneuropa Polit-Unsinn
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts hatte am Dienstag dem "Handelsblatt" gesagt, Griechenland könne eine Staatspleite nur abwenden, wenn es aus der Eurozone ausscheidet ("Grexit"). Der deutsche Ökonom setzt in dieser Hinsicht auf den Chef der linken Syriza-Partei, Alexis Tsipras. Dieser sei einer der wenigen griechischen Politiker, "die die Natur des Problems verstanden haben und deshalb bereit sind, Wagnisse einzugehen", so der Ifo-Chef, der außerdem für eine internationale Schuldenkonferenz zu Griechenland plädierte.
Für Aiginger ist dies eine "höhnische Verdrehung der Tatsachen". Sinn sei der einzige, der sich immer wieder dafür ausspreche, dass Deutschland zu einer europäischen Kernzone zurückkehre - "die besteht dann vielleicht aus Deutschland, Frankreich und den Finnen". Wirtschaftspolitisch gesehen machte das aber keinen Sinn, denn Deutschlands Bevölkerung schrumpfe stark. Im Jahr 2050 werde das Land nur mehr 1,8 Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung beitragen, 2010 waren es noch 4,8 Prozent, rechnete Aiginger vor. Ähnlich die Prognose für Frankreich: Der Anteil am Welt-BIP werde in dem Zeitraum von 3,5 auf 1,9 Prozent schrumpfen; das der Eurozone von 17,9 auf 8,7 Prozent.
Europa müsse einsehen, dass es ? la longue nur durch Größe Asien und Amerika die Stirn bieten könne. Inklusive seiner Nachbarn, etwa Türkei und Ukraine, werde die EU auch im Jahr 2050 die wirtschaftlich bedeutendste Macht der Welt sein - gemeinsam mit China. Amerika (Kanada, USA und Mexiko) wird nach der Prognose Aigingers weit dahinter liegen, dann werde es noch mindestens einen asiatischen Wirtschaftsraum und einen afrikanischen geben.
Die derzeit in Deutschland geführte Debatte um einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone hält der Wifo-Chef für fatal, wie er mit Blick auf die jüngere Geschichte sagte. Der Balkan-Raum habe sich in einem "mühsamen politischen Prozess" dazu entschlossen, gen Europa zu orientieren - nur das ermögliche Frieden in den Ländern.
Es sei - auch aus wirtschaftspolitischer Sicht - notwendig, dass sich die gesamte Region stabilisiert. Europa, allen voran Österreich, habe bis jetzt auf die Osterweiterung gesetzt - zu Beginn waren die direkten Nachbarländer dran, dann Bulgarien, Rumänien und Polen, nachher die Balkanstaaten und schließlich der Schwarzmeerraum. Wenn dieses "Zwiebelprinzip" nicht mehr funktioniert, habe das wirtschaftlich negative Folgen für die EU, wie man an der Ukraine-Krise sehe. Europa leide auch daran, dass der Schwarzmeerraum nicht mehr so stark wachse wie bisher, als die Wachstumsraten für einzelne Länder bei 5 bis 10 Prozent im Jahr gelegen seien.
Puncto Griechenland sieht Aiginger die EU in der Pflicht. Nicht Deutschland, sondern die Kommission in Brüssel solle mit der neuen Regierung in Athen über den Reformkurs verhandeln. Besonders wichtig wäre für Aiginger, die Jugend in den Prozess einzubeziehen. Noch immer werde es jungen Griechen schwer gemacht, Firmen zu gründen, bürokratische Vorgänge dauerten nach wie vor sehr lange. Auch Grundbücher gebe es noch immer nicht in allen Regionen.
Klar ist für Aigingner: "Ohne Schuldenschnitt geht's wirklich nicht." Es sei aber ein Unterschied, ob dieser "von außen angedroht oder gemeinsam erarbeitet wird". Es sei die Aufgabe von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, mit der neuen griechischen Regierung - das Land wählt am 25. Jänner - darüber zu sprechen. Aiginger goutierte einen sehr geringen Zinssatz auf eine sehr lange Laufzeit. "In den nächsten fünf bis zehn Jahren müssen sie genügend Luft haben, um eine Aktivstrategie zu verfolgen."
(Schluss) snu/sp

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