Ungeduld wächst 02.06.2015 12:05:45

Gläubiger wohl mit letztem Angebot an Athen

Damit sollen die notwendigen Wirtschaftsreformen festgeklopft werden, die Griechenland als Bedingung für die Freigabe der restlichen Hilfszahlungen erfüllen muss, wie mit der Materie vertraute Personen dem Wall Street Journal sagten. Am Abend hatten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Berlin mit IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Präsident Mario Draghi über das weitere Vorgehen beraten. Konkrete Details zum weiteren Vorgehen wurden danach allerdings nicht bekanntgegeben. Die deutsche Regierung teilte lediglich mit, es sei um "den aktuellen Stand der laufenden Gespräche zwischen den Institutionen und der griechischen Regierung" gegangen, und die Gesprächspartner seien sich einig gewesen, "dass nun mit großer Intensität weitergearbeitet werden" müsse.

Dieses Treffen diente nach Aussagen einer informierten Person dazu, ein finales Angebot an den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras auszuarbeiten. Beobachter werten dies als eindeutiges Zeichen, dass die Geldgeber nach dem monatelangen Hin und Her in den Verhandlungen die Geduld verlieren.

Nachdem sich Tsipras lange Zeit dagegen gesträubt hat, einschneidende Maßnahmen zu Reformen und Ausgabenkürzungen zu akzeptieren, dürfte ihm nun ein Dokument vorgelegt werden, das ihn ein schweres Dilemma stürzen dürfte. Lehnt er es ab, würde Griechenland auf Zahlungsunfähigkeit, Kapitalkontrollen und möglicherweise den Abschied aus dem Euro zusteuern. Akzeptiert er es, könnte es zu einer Spaltung der Regierungspartei Syriza kommen, die die Parlamentswahlen im Januar mit dem Versprechen gewonnen hatte, die dem Land von den Kreditgebern auferlegten massiven Sparanstrengungen zu beenden und umzukehren.

Vertreter der Gläubigerseite hatten wiederholt betont, dass es bei den Gesprächen mit den griechischen Unterhändlern keine rechten Fortschritte gegeben habe. Die Hauptdifferenzen drehten sich um die Reformen von Rentensystem und Arbeitsmarkt sowie um die Höhe des Primärhaushaltsüberschusses, bei dem Zinszahlungen unberücksichtigt bleiben, in den kommenden Jahren.

Der jetzt von den Kreditgebern ausgearbeitete Vertragsentwurf enthält die Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche von 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss und ohne die das Land wohl spätestens im Juli zahlungsunfähig werden würde.

Bereits im Juni stehen Rückzahlungen von gut 1,5 Milliarden Euro an den IWF an. Die erste Rate über gut 300 Millionen Euro wird am 5. Juni fällig. Allerdings ist offenbar eine kombinierte Zahlung aller Raten zum Ende des Monats möglich.

Vertreter der europäischen Institutionen, die mit den Verhandlungen vertraut sind, sehen jedoch Anzeichen für eine zunehmende Flexibilität der Griechen, wie bei inoffiziellen Gesprächen spürbar geworden sei. Dies gelte für das Rentensystem und andere schwierige Fragen, bei denen in Athen offenbar die Bereitschaft zu schmerzhaften Zugeständnissen gewachsen sei. Diese Indikationen müssten nun in konkrete politische Schritte überführt werden wie die Begrenzung der Rentenausgaben im Haushalt.

Und selbst wenn ein Paket vereinbart worden sei, könnte sich Tsipras einem Aufstand innerhalb seiner Partei gegenüber sehen, weil er gegen die Parteiideologie verstoßen und Wahlkampfversprechen gebrochen habe.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte am Montag in der Süddeutschen Zeitung eindringlich vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone gewarnt. "Diese Vorstellung, dass wir dann weniger Sorgen und Zwänge haben, wenn Griechenland den Euro abgibt, teile ich nicht", sagte er. An dem Tag, an dem ein Land aus dem Euro ausscheiden sollte, "würde sich die Idee in den Köpfen festsetzen, dass der Euro eben nicht irreversibel ist". Als Konsequenz könnten sich internationale Investoren zurückziehen.

Sein Stabschef Martin Selmayr hatte am Montag bei einem Gespräch in Berlin ergänzt, ein Euro-Austritt Griechenlands würde zur Pleite des Landes führen. Das würde im Gegenzug eine neue Krise auslösen, was es für Europa dann notwendig machen könnte, Entwicklungshilfe nach Athen zu überweisen. "Für den deutschen Steuerzahler wird dies garantiert nicht billiger", wenn Griechenland aus dem Euro ausscheidet, sagte Selmayr. Daher gebe es keine Alternative dazu, eine Einigung mit Griechenland zu erreichen. Denn die Alternativen würden schlimmer sein, als jetzt Kompromisse einzugehen.

Zuvor am Montag hatte die Bundesregierung noch einmal ihre harte Haltung gegenüber Griechenland unterstrichen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte möglichen Zugeständnissen der Gläubiger gegenüber Athen eine Absage erteilt und von den Griechen schnelle Entscheidungen zur Lösung der Krise verlangt. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert hatte betont, dass Griechenland, ein umfassendes Reformpaket akzeptieren müsse. Das Bundesfinanzministerium ergänzte, Einzelmaßnahmen wie die Reform des Arbeitsmarkts, Änderungen im Dienstleistungssektor oder Privatisierungen dienten dem Ziel, dass Griechenland seine Schuldenkrise nachhaltig überwinden könne.

Tsipras sieht die Schuld für die stockenden Verhandlungen über weitere Milliardenhilfen dagegen eher bei einigen seiner Verhandlungspartner, wie er in einem Gastbeitrag für die französische Zeitung Le Monde vom Sonntag schrieb. "Das Fehlen einer Einigung bis jetzt liegt nicht an der angeblichen unversöhnlichen, kompromisslosen und unverständlichen Haltung Griechenlands", schrieb Tsipras . "Es liegt an dem Beharren einiger institutioneller Akteure auf absurden Vorschlägen und einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber der jüngsten demokratischen Entscheidung des griechischen Volkes."

Seine Regierung habe den internationalen Gläubigern bereits Zugeständnisse gemacht. So seien eine Reihe von Privatisierungen beschlossen worden, die seine Syriza-Partei ursprünglich abgelehnt habe. Auch einer Reform der Mehrwertsteuer und des Rentensystems habe Athen zugestimmt.

DJG/DJN/smh/brb

   Dow Jones Newswires

  Von Victoria Dendrinou in Brüssel und Marcus Walker in Athen

BRÜSSEL/ATHEN (Dow Jones)

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