17.05.2016 17:50:47

Früherer EZB-Chefökonom Issing warnt vor Reputationsschaden

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)-- Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, hat sich bei einer Veranstaltung im Bundesfinanzministerium (BMF) besorgt über den geldpolitischen Kurs der Notenbank gezeigt und vor Schaden für die Reputation der Notenbank gewarnt. Die Geldpolitik der EZB verdecke "zunehmend auch das Versagen der Politik", sagte Issing. "Das führt inzwischen zu einer Mischung, in der am Ende auch die Reputation der EZB in Gefahr ist."

   Das frühere EZB-Direktoriumsmitglied ließ in diesem Zusammenhang Kritik an den jüngsten geldpolitischen Entscheidungen der Notenbank erkennen. "Ob es sinnvoll ist, dieses Ankaufsprogramm noch weiter zu führen und noch um weitere Titel und Mengen zu erweitern, das wird man mit Fug und Recht fragen dürfen," sagte Issing bei einer Diskussion der Reihe "BMF im Dialog", bei der er unter dem Titel "Nieder mit den Konventionen! - Neue Leitschnur der (Makro-)Politik?" mit Finanzstaatssekretär Michael Meister über aktuelle Entwicklungen in der Geldpolitik debattierte.

   "Im Euroraum müssen wir feststellen, dass es zunehmend Vollversorgung der Banken mit Liquidität bedeutet - auf drei Jahre hinaus, die man gar nicht überblicken kann", konstatierte das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied. "Das halte ich für problematisch", sagte Issing, der dem Direktorium der EZB von 1998 bis 2006 angehörte und zuvor von Oktober 1990 bis Mai 1998 Mitglied des Direktoriums und des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank war.

Issing will kein Helikoptergeld Ein Verlassen des gegenwärtigen geldpolitischen Kurses werde "ein ganz, ganz schwerer Weg werden", sagte Issing voraus. "Der Ausgang aus dieser extrem expansiven Politik hat Dimensionen, die im Moment noch kaum zu überschauen sind", warnte der heutige Präsident des Center for Financial Studies. Zunächst einmal müsse man klar machen, dass die Geldpolitik mit ihren Möglichkeiten am Ende sei.

   Vehement wandte sich Issing bei der Veranstaltung gegen Vorschläge einer direkten Finanzierung von Wirtschaftsakteuren mit sogenanntem "Helikoptergeld" der EZB. "Helicopter money ernsthaft zu diskutieren als ein Instrument aktueller Geldpolitik, das halte ich für eine Geistesverwirrung," meinte er. Gebe man erst einmal die Notenpresse in die Hand der Politik, dann "braucht man sich um Inflation keine Sorgen" zu machen - denn diese werde dann von alleine kommen. "Die Reputation der Notenbank wäre von heute auf morgen erledigt," warnte Issing.

   Unterdessen übte auch der frühere Präsident der Bank of England, Mervyn King, Kritik an der aktuellen Geldpolitik. "Wir müssen uns klarmachen, dass die Geldpolitik unsere gegenwärtigen Probleme nicht lösen kann", sagte er dem Wirtschaftsmagazin Capital, "die Struktur der Ausgaben muss sich verändern." Die Idee, man müsse nur den Zins weiter senken, halte er für logisch falsch. "Das Problem ist, dass es keine Euro-Regierung gibt, die das tut, was nötig wäre, damit die EZB in einem Aufschwung wieder langsam die Zinsen erhöhen könnte", konstatierte King. "Solange die nationalen Regierungen nicht handeln, wird es für die EZB sehr schwierig bleiben."

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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   May 17, 2016 11:53 ET (15:53 GMT)

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