24.10.2014 07:34:32

Frankreich und Italien kämpfen in Brüssel gegen Sparpolitik

   Von Matthew Dalton und Giada Zampano

   BRÜSSEL--Die Staats- und Regierungschefs der EU haben vor den im Tagesverlauf anstehenden Beratungen auf dem Brüsseler Gipfel gegensätzliche Positionen zu einer sparsameren Haushaltspolitik deutlich gemacht. Wie es aussieht, werden sich Frankreich und Italien den Forderungen der EU-Kommission und Deutschlands nach einer rascheren Einhaltung der Budgetvorgaben widersetzen. Dieser Konflikt wird zum ersten ernsthaften Test für das strengere System der gegenseitigen Haushaltsüberwachung und könnte das Vertrauen der Investoren in die Eurozone erneut schwächen.

   Eine von Deutschland angeführte Gruppe von Ländern ist der Meinung, dass Europa seine Haushaltsregel nicht schon wieder untergraben sollte. Sie erinnern daran, dass vor zehn Jahren Deutschland und Frankreich den Stabilitätspakt faktisch aushebelten, was 2012 fast zum Ende des Euro geführt hätte.

   Frankreich und Italien sehen das anders. Sie sagen: Angesichts der zunehmenden Rezessionsgefahr und des Erfolgs europafeindlicher Parteien wäre es unsinnig, die Wirtschaft mit schärferen Haushaltseinschnitten zusätzlich zu schwächen. Halten sie sich nicht an die europäischen Haushaltsregeln, drohen ihnen schlimmstenfalls Strafzahlungen.

   Die Franzosen haben der EU-Kommission einen Haushaltsentwurf für 2015 vorgelegt, der eine Neuverschuldung von 4,3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung vorsieht. Das ungleich höher verschuldete Italien plant mit einem Haushaltsdefizit von 2,9 Prozent.

   Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande versuchte den Forderungen nach mehr Haushaltsdisziplin mit dem Argument die Spitze zu nehmen, die europäischen Regeln dürften angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen flexibel ausgelegt werden. "Wachstum muss die Hauptsache bleiben, von diesem Ziel werden wir nicht abweichen", sagte Hollande und fügte hinzu: "Wir werden die Haushaltsregeln mit so viel Flexibilität wie möglich respektieren."

   Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen ist der Ansicht, dass höhere Defizite Europas Wachstumsproblem nicht lösen werden. "Es gab in Europa schon Zeiten, wo wir trotz hoher Defizite kein Wachstum hatten", sagte sie vor ihrem Aufbruch zum Gipfel.

   Die EU-Kommission hat Italien und Frankreich schriftlich darauf hingewiesen, dass ihre Haushalte gegen europäische Regeln verstoßen und um Erklärungen gebeten. Für viele Politiker ist jedoch nicht die Einhaltung von Haushaltsregeln, sondern die anhaltende Wachstumsschwäche das eigentlicher Problem.

   "Wir sind nicht immun gegen die wirtschaftlichen Probleme Europas und durchaus beunruhigt über den Zustand einiger Volkswirtschaften", sagte der britische Premierminister David Cameron. Er warte daher auf Vorschläge, wie es erleichtert werden könne, Menschen Arbeit zu geben, und auf Reformen und Maßnahmen, die zu mehr Wachstum führten.

   Die italienische Regierung hat in der vergangenen Woche einen Haushaltsentwurf veröffentlicht, der Steuersenkungen vorsieht, aber trotzdem mit einer Neuverschuldung von unter 3 Prozent auskommt. Zugleich allerdings verschob die Regierung ihr Ziel, einen strukturell besser ausbalancierten Haushalt vorzulegen, von 2015 auf 2017. Der strukturelle Haushaltssaldo ist um zyklische- und Einmaleffekte bereinigt und wird von der EU-Kommission ebenso aufmerksam wie der herkömmliche Saldo beobachtet. Italien soll sein Vorgehen nun bis Freitag erläutern.

   Italien Ministerpräsident Matteo Renzi sagte bei seinem Eintreffen in Brüssel, es sei nicht schwer, die Fragen der Kommission zu beantworten. "Es gibt keine großen Probleme", behauptete er. Wahrscheinlich muss Renzi zusätzliche 2 Milliarden Euro zur Finanzierung seiner Ausgaben auftreiben. Renzi nahm nicht an dem von Francois Hollande im Vorfeld des Gipfels ausgerichteten Treffen sozialistischer Spitzenpolitiker teil.

   Italien hat aber nicht nur Probleme beim Erreichen der verschiedenen Budgetziele. Ab 2016 soll die Regierung in Rom außerdem damit beginnen, ihre Gesamtverschuldung - 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - zu reduzieren. Um das zu erreichen, müsste die Regierung ihre Ausgaben noch weitaus deutlicher reduzieren.

   Viele Ökonomen halten solche ambitionierten Ziele angesichts der schwachen Konjunktur allerdings für unsinnig. "Die Idee, dass die Hauptsorge der EU jetzt die Konsolidierung des französischen und italienischen Haushalts sein muss, ist einfach verrückt", sagt Jonathan Portes, Direktor des Londoner National Institute of Economic and Social Research. "Wir riskieren eine Deflation, wir haben kein Wachstum."

   Kontakt zu den Autoren: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/hab/smh

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   October 24, 2014 01:33 ET (05:33 GMT)

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