28.04.2014 13:20:31
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Frankreich behält im Bieterstreit um Alstom Fäden in der Hand
Von Stefanie Haxel
Der Bieterwettstreit um die Energiesparte des französischen Technologiekonzerns Alstom wird wohl nicht von den beteiligten Unternehmen oder ihren Aktionären entschieden werden - der französische Staat als ehemaliger Großaktionär mischt kräftig mit. Schließlich geht es auch um den nationalen Stolz, ist Alstom doch ein wichtiger Konzern im Land, der vor zehn Jahren vom Staat vor der Pleite gerettet worden war.
Frankreichs Präsident Francois Hollande will im Übernahmepoker zwischen Alstom, General Electric (GE) und Siemens die Fäden in der Hand behalten. Am Montagmorgen trafen sich Hollande und sein Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg mit GE-Chef Jeff Immelt, um über das Interesse der Amerikaner an Alstom zu sprechen. Am Nachmittag trifft sich Hollande mit Siemens-CEO Joe Kaeser und im Anschluss daran auch mit Martin Bouygues, dem Chef der Unternehmensgruppe Bouygues, Alstoms größtem Einzelaktionär.
Die Bouygues SA war 2006 mit der Übernahme des 21-prozentigen Anteils der französischen Regierung zum größten Alstom-Eigner aufgestiegen und hält inzwischen 29,4 Prozent.
Erste Informationen über Verkaufsgespräche zwischen Alstom und dem US-Mischkonzern GE über das Energiegeschäft des französischen Konzerns waren in der vergangenen Woche durchgesickert. Die Aktivitäten umfassen Turbinen für Kohle- oder Erdgas-Kraftwerke, aber auch Erneuerbare Energien und trugen in den ersten neun Monaten des Jahres den Löwenanteil von 71 Prozent zum Alstom-Umsatz.
Das rief die Regierung auf den Plan. "Alstom ist ein Symbol für die industrielle Stärke und das Know-How Frankreichs", sagte Montebourg der französischen Zeitung Le Monde. Die Regierung befürchte, die Zentrale des Konzerns, das Entscheidungszentrum, zu verlieren. Außerdem könnten Arbeitsplätze gefährdet sein. "Die Regierung zeigt ihre patriotische Sorge und Wachsamkeit."
Am Sonntag trat dann der Elysee-Palast auf die Bremse und erklärte, sie werde keinen vorschnellen Deal bei als strategisch geltenden Vermögenswerten akzeptieren. Zudem bestätigte sie, dass die Siemens AG einen alternativen Plan zu einer GE-Offerte vorgelegt habe. Frankreich werde sich nun eine "angemessene Zeit für eine ernsthafte Prüfung der Vorschläge" nehmen, erklärte das Wirtschaftsministerium.
Stefan Rouenhoff, Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, sagte, dass man mit allen Beteiligten wegen Siemens und Alstom in Verbindung stehe. Eine mögliche Teilübernahme biete grundsätzlich große Chancen und Potentiale industrie-politischer Art für Deutschland und Frankreich, ergänzte Rouenhoff. Zu Einzelheiten von Gesprächen könne aber nichts gesagt werden.
Siemens hatte dem französischen Wettbewerber am Wochenende einen Spartentausch vorgeschlagen. Wie aus einem Brief von Kaeser an Alstom-Chef Patrick Kron hervorgeht, schätzt der DAX-Konzern den Unternehmenswert der drei Alstom Sparten - Thermal Power, Renewable Power und Grid Divison - auf 10 bis 11 Milliarden Euro. Im Gegenzug bietet Siemens Teile seiner Zugsparte an und wirft damit sein ICE-Geschäft in die Wagschale. In dem Brief wird zudem betont, dass Siemens "alle finanziellen Mittel habe", um die Transaktion schnell durchzuführen.
Beim Aufkommen der Spekulationen über eine Übernahme von Alstom durch GE am Donnerstag war allerdings ein Kaufpreis von rund 13 Milliarden Dollar oder rund 10 Milliarden Euro für das Gesamtunternehmen genannt worden.
Siemens spricht davon, dass "zwei starke europäische Champions" von weltweiter Bedeutung in den Bereichen Energie und Transport geschaffen werden können - den Interessen Frankreichs und Deutschlands werde gedient. Laut einem Bericht des Spiegel vom Wochenende soll Frankreich den deutschen Konkurrenten um eine Gegenofferte für Alstom gebeten haben, um den Vorstoß von GE abzuwehren.
Frankreich habe noch keine Präferenzen für eine der Optionen, sagte Wirtschaftsminister Montebourg am Montag. "Wir werden das wissen, wenn wir mit den beiden Managern gesprochen haben", sagte er, bezeichnete die Offerte von GE für das Energiegeschäft allerdings als problematisch. Denn der Großteil des Geschäftes würde nach Abschluss einer Transaktion von den USA, genauer aus Connecticut, geführt. "Das ist eine Situation, die eine Reihe von Fragen für uns aufwirft", sagte Montebourg.
Der Minister, der kein Blatt vor den Mund nimmt und immer mal wieder mit Unternehmenshäuptlingen aneinander gerät, sieht die Regierung in der Pflicht, sich in die Angelegenheiten von Unternehmen einzumischen. Selbst dann, wenn der Staat nicht an ihnen beteiligt ist - denn schließlich geht es gegebenenfalls um den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Der Alstom-Konzern beschäftig nicht nur 93.000 Mitarbeiter, er liefert auch wichtige Ausrüstung für Frankreichs Kernkraftwerke und stellt den Schnellzug TGV her, das Aushängeschild des Landes. Das erklärt auch, warum Paris dem Konzern unter die Arme griff und rettete, als er vor zehn Jahren in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Damals war Nicolas Sarkozy Wirtschaftsminister.
Doch derzeit ist der Konzern wieder angeschlagen. Seit einigen Jahren machen Alstom geringere Kapitalausgaben der europäischen Energieversorger, schlaffes Wachstum auf dem Kontinent und schwächere Märkte in den Entwicklungsländern zu schaffen. Auf die in einem Radiointerview am Montag gestellte Frage, ob die Regierung wieder eine vorübergehende Verstaatlichung von Alstom in Erwägung ziehen würde, antwortete Montebourg, es sei noch "zu früh", um dies zu beantworten. "Der Staat ist hier, um Allianzen mit allen seien Partnern zu bilden", fügte er hinzu.
Das Engagement der Politik wird von den Marktbeobachtern mit gemischten Gefühlen beobachtet. Die politische Dimension eines etwaigen Ringtauschs von Geschäftsbereichen zwischen Siemens und Alstom berge viele Unwägbarkeiten, schreiben die Analysten von Exane BNP Paribas. Für die Aktionäre könnte das Ergebnis des Entscheidungsfindungsprozesses nicht optimal sein.
Grundsätzlich sieht Exane aber großes Synergiepotenzial in der wechselseitigen Übernahme einzelner Sparten. Siemens könnte in Form einer Gewinnsteigerung um 8 bis 10 Prozent in den kommenden beiden Jahren profitieren. Ein Gebot von Siemens für das Alstom-Energiegeschäft hätte zwar die Zustimmung der französischen Regierung, nicht aber die des Alstom-Managements.
Wenn Alstom ihre Energiesparte dagegen an General Electric (GE) verkaufte, dürften die kartellrechtlichen Hürden niedriger, die Vorbehalte der französischen Politik dagegen größer sein. In beiden Fällen würde jedoch der Anteil von Alstom-Großaktionär Bouygues verwässert und sein Einfluss stark geschwächt.
Das Ergebnis des Entscheidungsfindungsprozesses könnte eventuell nicht im besten Interesse der Aktionäre sein. Grundsätzlich sieht Exane aber großes Synergiepotenzial in der wechselseitigen Übernahme einzelner Sparten. Siemens könnte in Form einer Gewinnsteigerung um 8 bis 10 Prozent in den kommenden beiden Jahren profitieren, eine Schätzung die auch die Anaysten der Citigroup teilen.
Mitarbeit: Harriet Torry
Kontakt zum Autor: stefanie.haxel@wsj.com
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April 28, 2014 07:12 ET (11:12 GMT)
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