26.08.2014 17:55:00

Forum Alpbach - Expertin plädiert für Postwachstumsgesellschaft

"Wir sollten in einer Postwachstumsgesellschaft leben", forderte die Wirtschaftsforscherin Irmi Seidl vom Swiss Federal Research Institut beim Forum Alpbach, und stieß damit bei ihren Diskussionspartnern auf Widerstand. "Wir haben uns zu lange auf Wachstum zur Lösung aller Probleme verlassen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall", so die Expertin.

Heute schaffe das mittels Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessene Wachstum Probleme, wie man am Anstieg der öffentlichen Schulden sehen könne, führte Seidl aus. Viele Ökonomen würden sagen, weil wir uns zu lange auf Wachstum verlassen haben. So seien etwa Frühpensionierungssystem eingeführt worden, was zu mehr Schulden und dennoch zu wenig Arbeit geführt habe.

"Wachstum ist nicht mehr die Lösung", so Seidl. Es werde auch nie mehr so hohe Wachstumsraten wie in den 60-er und 70er-Jahren geben. "Wir müssen neue Strukturen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft finden, die nicht von Wachstum abhängig sind, damit wir nicht so viel Geld ausgeben müssen, um Wachstumsraten zu erzielen", meinte Seidl. Es gehe nicht mehr um Wachstum in Form von BIP-Zahlen, man müsse mehr differenzieren, je nach Branche.

"Wir können uns Wachstum auch aus Umweltgründen nicht leisten", führte Seidl aus. Bisher sei es nicht gelungen, Wachstum und schädliche Auswirkungen auf die Umwelt zu entkoppeln. Daran sei bisher auch die Einführung von ökologischen Steuern gescheitert, da Politiker aus Wachstumsgründen dagegen waren. "Wir haben unsere Grenzen erreicht", so Seidl.

Mark Pennington, Londoner Professor für politische Ökonomie, widersprach Seidl. Ohne Wachstum könne es keine Lösung für die Armut etwa in Ländern wie Indien geben. Es gebe kein gutes oder schlechtes Wachstum. Für die durch Wachstum verursachten externe Kosten wie Umweltschäden müssten die einzelnen Menschen zur Verantwortung gezogen werden.

Auch Branko Milanovic, derzeit als Ökonomieprofessor an der New Yorker Uni tätig, widersprach Seidl. "Ich möchte mich für Wachstum aussprechen, weil ich überzeugt bin, dass Wachstum notwendig ist, um weltweite Ungleichheit zu bekämpfen", so Milanovic. Ohne Wachstum wäre die Armut in der Welt nicht zurückgegangen und würde auch in den reichen Ländern bestehen. Zudem würden sich die Konsumgewohnheiten der Menschen nicht ändern lassen. Ökologische Steuern gebe es bereits - alleine 80 Prozent des Benzinpreises seien Steuern.

Dennoch würden die Preise die externen Kosten nicht widerspiegeln, entgegnete Seidl. Man könne die Steuern nicht immer erhöhen, um die Konsumgewohnheiten zu ändern, so Pennington.

(Schluss) ggr/cri/snu

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