13.11.2014 13:48:00
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Finanzsanktionen gegen Moskau treffen auch EU-Banken stark
Für Russland würden die Finanzrestriktionen schwerer wiegen als die Handelsbeschränkungen für Rüstungs- und Dual-Use-Güter sowie die Beschränkungen für Exporte von Technologien zur Erdölförderung, meinte Astrov vor Journalisten. Ölkomponenten für Ostsibirien, Offshore- oder Shale-Gas-Aktivitäten brauche Russland erst längerfristig. Aber die Finanzsanktionen würden sich kurzfristig und momentan am gravierendsten auswirken für die russische Wirtschaft. Immerhin seien vom Verbot der Kreditvergabe für länger als 30 Tage laufende Kredite durch westliche Geldinstitute fünf große staatseigene Banken und drei Energiekonzerne in Russland betroffen.
Besonders bedroht von möglichen Geschäfts- und Verdienstausfällen seien Banken aus Frankreich, Italien und den USA, verwies Astrov auf das Ausmaß der Forderungen an Russland per Ende Juni. Bei Italien gehe es freilich - über die UniCredit und ihre für Osteuropa verantwortliche Tochter Bank Austria - in Wahrheit stark um Österreich.
Für Österreich schätzt der WIIW-Experte das Ausmaß der Russland-Forderungen auf Basis der Ziffern von Raiffeisen auf zirka 20 Mrd. Dollar - selbst ohne Italien-Komponente mehr als es bei Deutschland oder Japan insgesamt sind. Gesamtzahlen für heimische Institute gibt es keine aktuellen, da Österreich seit 2012 keine Daten mehr dazu an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) geliefert habe. Den größten Brocken haben französische Institute zu stemmen, auf sie allein entfalle mit fast 50 Mrd. Dollar ein Viertel der russischen Banken-Verschuldung.
Zur Gefahr einer Zwangsverstaatlichung ausländischer Bank-Ableger durch Moskau hat der Russland-Experte Astrov zwar aktuell keine Anhaltspunkte, er kann sich "aber schon vorstellen, dass so etwas kommt, wenn sich die Sanktionsspirale weiter dreht". Schon vor längerer Zeit habe es in Moskau eine Stellungnahme in diese Richtung vom Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin gegeben. Diese sei dann zwar offiziell dementiert bzw. als "private Meinung" abgetan worden, es habe sich doch um eine Stellungnahme eines Präsidentenberaters gehandelt.
Der Rubel-Verfall - um 40 Prozent gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn - sei nicht nur durch die Sanktionen bedingt, sondern auch Folge anderer Gründe, etwa des Ölpreisverfalls, speziell zuletzt im Oktober. Im Land führe der schwache Rubel dazu, dass sich die Inflation beschleunige, da speziell in russischen Großstädten 50 bis 60 Prozent der Güter importiert würden. Die verstärkte Teuerung senke die reale Kaufkraft der Bevölkerung bzw. lasse sie weniger stark wachsen, das dämpfe den Privatkonsum.
Den Versuch der russischen Notenbank, mit Leitzinserhöhungen den Rubel möglichst attraktiv für Investoren zu halten, sieht Astrov eigentlich als gescheitert an, verweist aber auf Äußerungen der Währungshüter, dass die Devise ohne ihr Handeln noch stärker verfallen wäre. Seit Februar hat die Notenbank den Leitzins in mehreren Schritten von 5,5 auf 9,5 Prozent erhöht, dennoch die Rubel-Abschwächung seit Sommer an Fahrt aufgenommen. Kehrseite der Zinsanhebungen sei, dass sich Firmenkredite verteuern und Investitionen erschwert werden. Vorerst seien die Bruttoinvestitionen zwar noch kaum gesunken. Doch das dicke Ende wird hier noch kommen, vermutet Astrov: "Die Effekte der heuer im August und September auch im Finanzbereich verhängten Sanktionen werden erst 2015 voll zum Tragen kommen."
(Schluss) sp/ivn
ISIN WEB http://www.wiiw.ac.at/

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