03.07.2014 09:30:00

Ex-Wifo-Chef Kramer: "Arbeitskosten runter, Pensionsalter rauf"

Eine Entlastung der Arbeitskosten, gegenfinanziert durch höhere Energie- und Grundsteuern, sowie eine Anhebung des Pensionsalters wünscht sich der frühere Wifo-Chef Helmut Kramer, der diesen Freitag 75 Jahre alt wird. Auch das "heikle" Thema Vermögensbesteuerung sollte die Regierung angehen, auch wenn hier die Positionen "eingegraben" seien, sagte Kramer im APA-Gespräch.

Natürlich sollten Einsparungen an oberster Stelle stehen bei der Finanzierung der Arbeitskosten-Senkung. Doch müsse auch über Emissionsabgaben oder andere Energiesteuern nachgedacht werden, plädiert Kramer. Zu einer Vermögenssteuer sollte sich die Politik "irgendwie zusammenraufen", letztlich könne aber auch über eine punktuelle Anhebung der Mehrwertsteuer - dort wo es aus unverständlichen Gründen den niedrigeren Satz gebe - nachgedacht werden, allenfalls auch über eine "Luxussteuer neu", was aber EU-konform nur auf europäischer Ebene möglich sei.

Eine Entschärfung der hohen Steuer- und Abgabenquote in Österreich sei überfällig und müsse rasch kommen, fordert Kramer, der das heimische Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) als Vorgänger von Karl Aiginger von 1981 bis 2005 geleitet hat. Leider sei über die Jahre der "Irrweg" begangen worden, "dass wir alles über den Unternehmer-Lohn finanzieren". Das betreffe neben der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen auch andere Faktoren wie etwa zur WBF den Wohnbauförderungsbeitrag oder den Beitrag zum FLAF (Familienlastenausgleichsfonds).

Beim Pensionssystem seien "große Korrekturen" nötig, schließlich würden die Menschen immer länger leben - pro Jahrzehnt um rund zweieinhalb Jahre. Die Leistungsfähigkeit sei heute im Schnitt bis zum Alter von 80 Jahren oder sogar darüber gegeben, "es ist praktisch ein dritter Lebensabschnitt entstanden", betont Kramer, der sich seit seinem Ausscheiden als Rektor der Donau-Universität Krems (2005-07) verstärkt der Alternsfragen-Forschung widmet.

Das geplante Bonus-Malus-System, mit dem eine Längerbeschäftigung älterer Arbeitnehmer gefördert werden soll, werde bisher fehlende Incentives bringen, hofft Kramer. Doch könnte aus seiner Sicht sogar "eine Art Automatismus" einer Anhebung des Pensionsalters überlegt werden, da die Menschen ja immer älter würden. Letztlich müsse freilich auch am Bewusstsein in der Bevölkerung gedreht werden: "Da müssten Lebensentwürfe geändert werden."

"Der Generationenpakt funktioniert ja schon nicht mehr", meint Kramer und verweist darauf, dass es mit der Pension, auf die die jungen Menschen von heute hoffen könnten, "traurig" aussehen werde. Schuld daran sei der schwierige Arbeitsmarkt, aber auch die Tatsache, dass frühere Realwachstumsraten der Wirtschaft von 2 bis 3 Prozent pro Jahr nicht mehr erreichbar seien. Das Gegenargument, dass automatisch die Jugendarbeitslosigkeit steige, wenn Ältere länger beschäftigt bleiben, hatte der Ex-Wifo-Chef schon früher mit dem Hinweis pariert, dass es "haufenweise empirische Untersuchungen" gebe, dass "dieser Zusammenhang so nicht stimmt".

Zur Alternsforschung hat Kramer 2009 mit Leopold Rosenmayr und anderen Professoren aus den Fächern Soziologie, Gerontologie, Psychologie sowie Wirtschafts- und Finanzwissenschaft die Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen (ÖPIA) ins Leben gerufen. Alle der rund 20 Experten würden da ehrenamtlich mitarbeiten. Vom Bund erhalte man keine Forschungsförderung, sie sei unter den Ministern Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle gestrichen worden, beklagt Kramer: "Wir würden rund 150.000 Euro pro Jahr für ein kleines wissenschaftliches Sekretariat benötigen, für öffentliche Vorlesungen und für die Einladung von Gästen aus dem Ausland."

Der diese Woche 75-jährige Jurist und Ökonom Kramer wurde am 4.7.1939 in Bregenz (Vorarlberg) geboren. Insgesamt 34 Jahre lang arbeitete er am Wifo in Wien. Dort trat er 1963 ein und war zunächst als Referent für Industrie- und Strukturpolitik tätig. 1971 bis 1981 fungierte er als Vize-Leiter des Instituts, 1981 bis 2005 als dessen Leiter. Ab 1989 hatte Kramer an der Uni Wien eine Professur für österreichische Wirtschaftspolitik inne, ab 1999 war er Honorarprofessor an der Uni Wien und 2005/06 Gastprofessor an der Uni Innsbruck.

"Seine Exzellenz und Objektivität als Wirtschaftsforscher machte ihn zum wirtschaftspolitischen Berater aller österreichischen Bundesregierungen seit 1970", schrieb der jetzige Wifo-Chef Karl Aiginger vor Jahren in einer Würdigung seines Vorgängers.

Kramer, so Aiginger damals, sei ein "Generalist" unter den Ökonomen: "Nur wenige Wirtschaftswissenschafter analysieren wie er Konjunktur u n d Wachstum, anerkennen den Beitrag von Angebot u n d Nachfrage für die Wirtschaftsdynamik". Professor Kramer sei "ein Verfechter der Makroökonomie", Wirtschaft sei in seiner Sichtweise "mehr als die Summe der Entscheidungen von Unternehmen und Haushalten". Er sei "ein Anhänger der Sozialpartnerschaft und einer konsensorientierten Reformpolitik" und habe das Wifo "aus der Position eines nationalen Institutes zu einer internationalen Forschungskapazität transformiert".

(Schluss) sp/itz

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