Durch Notiz 03.03.2016 09:07:46

Ex-VW-Chef Winterkorn bereits im Mai 2014 über Abgasproblem informiert

Im Mai 2014 und somit knapp eineinhalb Jahren vor der Bekanntmachung des Skandals durch die US-Umweltbehörde sei Winterkorn in einer "Notiz" informiert worden. "Ob und inwieweit Herr Winterkorn von dieser Notiz damals Kenntnis genommen hat, ist nicht dokumentiert", so VW. Im Juli vergangenen Jahres hätten dann Mitarbeiter in Anwesenheit von Winterkorn und Markenchef Herbert Diess über die Diesel-Thematik gesprochen.

   "Es ist insbesondere nicht geklärt, ob zwischen den Beteiligten bereits zu diesem Zeitpunkt ein Verständnis davon gegeben war, dass die Softwareveränderung gegen US-amerikanische Umweltvorschriften verstieß", heißt es in der Mitteilung des DAX-Konzerns.

   Trotz der frühzeitigen Informationen zur Diesel-Problematik hält Volkswagen Aktionärsklagen im Zusammenhang mit der Thematik für unbegründet. Der Vorstand habe seine "kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt", so Volkswagen.

   Die Relevanz für den Aktienkurs habe sich erst nach dem 18. September 2015 ergeben, als die Verletzung US-amerikanischer Umweltschutzrichtlinien bekannt gemacht worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Konzern "von einer überschaubaren" Zahl betroffener Fahrzeuge - etwa eine halben Million - ausgegangen, und von "Bußgeldern in einem zweistelligen oder unteren dreistelligen Millionen-Bereich. Das seien aber noch keine "Anzeichen für börsenkursrelevante Informationen" gewesen.

   Inzwischen ist bekannt, dass die Software, mit der bei Umwelttests von Dieselfahrzeugen in den USA die Abgaswerte manipuliert wurden, weltweit in elf Millionen Dieselfahrzeuge eingebaut ist. Dem Unternehmen droht in den USA eine Strafe der Umweltbehörde EPA von bis zu 18 Milliarden Dollar. Dieses in der Öffentlichkeit diskutierte mögliche Strafmaß sei in anderen Fällen nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft worden, teilte Volkswagen dazu mit.

Winterkorn erhielt Notiz mit der Wochenendpost

Volkswagen hatte erst kurz nach der Enthüllung durch die EPA öffentlich die Probleme bei Dieselfahrzeugen eingeräumt. Die VW-Aktie brach daraufhin massiv ein, innerhalb von zwei Tagen verlor Volkswagen etwa 26 Milliarden Euro an Börsenwert. Martin Winterkorn trat kurze Zeit später zurück und Porsche-Chef Matthias Müller übernahm das Ruder.

   Für Volkswagen ist derzeit unklar, ob Winterkorn im Mai 2014 überhaupt den ersten Hinweis zur Kenntnis genommen habe. "Diese Notiz wurde seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt", so der Konzern. Die Angelegenheit habe bei den Führungsebenen zunächst "keine besondere Aufmerksamkeit" erfahren. Entsprechend habe auch die Zuständigkeit innerhalb von Volkswagen beim Ausschuss für Produkt-Sicherheit gelegen.

   Im Juli 2015 hätten sich Mitarbeiter von Volkswagen unter Anwesenheit von Winterkorn und Markenchef Herbert Diess, der von BMW kam und erst seit Juli für die Marke zuständig war, dann zur Diesel-Thematik besprochen. Konkrete Details dieser Unterredungen seien derzeit noch nicht rekonstruiert. "Es ist insbesondere nicht geklärt, ob zwischen den Beteiligten bereits zu diesem Zeitpunkt ein Verständnis davon gegeben war, dass die Softwareveränderung gegen US-amerikanische Umweltvorschriften verstieß."

   Ende August 2015 sei Juristen der VW-Rechtsabteilung und Anwälten von VW-Technikern "vollständig" erläutert worden, welche technischen Ursachen die Unregelmäßigkeiten beim Stickoxid in den USA hatten. Dies habe bei Mitgliedern des Vorstands dann zu der Erkenntnis geführt, dass es sich um eine Softwareveränderung handelte, die nach US-Recht als unzulässiges Defeat Device zu klassifizieren sei. Dies sollte dann gegenüber den US-Umweltbehörden eingestanden werden, was Anfang September geschah. Darüber sei Winterkorn am 4. September unterrichtet worden.

   Volkswagen sei bis dahin davon ausgegangen, dass die Thematik mit den US-Behörden durch die Offenlegung der Softwareveränderung, die Vereinbarung geeigneter Maßnahmen zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands der Fahrzeuge sowie mögliche Bußgeldzahlungen "im üblichen Rahmen" gelöst werden könne. "Anfang September 2015 schien die Auswirkung der Diesel-Thematik noch auf die USA begrenzt zu sein."

VW: Ausgangspunkt der Diesel-Thematik ist Entscheidung aus 2005

Für Volkswagen ist der Ausgangspunkt der Diesel-Thematik die strategische Entscheidung von Volkswagen im Jahr 2005, in den USA eine groß angelegte Dieseloffensive zu starten. Zu diesem Zweck sollte ein neues Diesel-Aggregat entwickelt werden, "das leistungsstark ist und zugleich kosteneffizient produziert werden kann".

   Nach bisherigem Erkenntnisstand habe sich "eine Gruppe von Personen" auf Ebenen unterhalb des Konzern-Vorstands im Bereich Aggregate-Entwicklung dazu entschlossen, die Motorsteuerungssoftware zu verändern. Es handelte sich dabei laut VW um einen punktuellen, aber schwerwiegenden Eingriff in die Motorsteuerungssoftware. Dieser sei durch relativ kleine Veränderungen innerhalb des für die Entwicklung der Steuerungssoftware verfügbaren Budgets möglich gewesen, "ohne hierbei übergeordnete Stellen einbeziehen zu müssen".

   Mit der detaillierten Übersicht der Ereignisse beim Dieselskandal reagiert Volkswagen auf diverse Medienberichte. In denen wurde unterstellt, dass Winterkorn bereits im Mai 2014 über die Abgassoftware informiert gewesen sei. Die aus Unternehmenssicht "selektive und unvollständige Veröffentlichung von Dokumenten in den Medien über die Diesel-Thematik" solle richtig gestellt werden, erklärte der Autohersteller.

   Letztlich ist die Antwort auf die Frage, wer bei VW zu welchem Zeitpunkt über die Affäre informiert war, brisant und könnte nicht nur für Winterkorn oder Diess Konsequenzen haben. Auch für Volkswagen-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der seinerzeit Finanzvorstand war, könnte es Folgen haben.

   Die Untersuchung bezüglich der Vorgänge und Verantwortlichkeiten rund um die Diesel-Thematik dauert unterdessen an. VW will in der zweiten Aprilhälfte über die vorläufige Ergebnisse der Untersuchung der US-Kanzlei Jones Day informieren.

FRANKFURT (Dow Jones)

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