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22.02.2016 16:48:00

Ex-EU-Kommissar Potocnik: Unser Wirtschaftsmodell hat keine Zukunft

"Das Wirtschaftsmodell, nach dem wir heute leben, kann langfristig keinen Bestand haben", sagt der ehemalige EU-Umweltkommissar Janez Potocnik. "Vor einer oder zwei Generationen war das noch schwer zu erkennen, aber heute ist klar, dass der Verbrauch von Ressourcen, seien es Rohstoffe, Wasser, saubere Luft oder Biodiversität, unerträglich wird." Einerseits wachse die Weltbevölkerung sehr schnell, andererseits nehme auch der Pro-Kopf-Verbrauch rasch zu, sagte Potocnik am Montag im Gespräch mit der APA. "Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat es ungefähr 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt gegeben. In einer Generation, von jetzt an gerechnet bis 2050, wird die Weltbevölkerung um weitere 2,5 Milliarden Menschen anwachsen", sagte Potocnik. "Das heißt, in einem Jahr werden wir auf der Welt ein weiteres Deutschland haben, in vier Jahren noch einmal die USA. Für mein Land, Slowenien, brauchen wir nur neun Tage und sechs Stunden."

Natürlich könne man Ländern wie China nicht den Wohlstand vorenthalten, wie ihn die westliche Welt bereits genieße, sagte Potocnik. "Aber wir müssen ihre Bedürfnisse anders befriedigen. Wir brauchen praktisch in nur einer Generation eine völlig andere Wirtschaft", so der ehemalige EU-Kommissar, der heute Co-Vorsitzender des International Resource Panel des UN-Umweltprogramms UNEP ist und derzeit an der Konferenz "Wachstum im Wandel" teilnimmt, die vom 22. bis 24. Februar an der Wirtschaftsuniversität Wien stattfindet.

Die Lösung des Problems könne nur in einer Kreislaufwirtschaft liegen. "Unser derzeitiges Wirtschaftsmodell ist linear organisiert: Wir fördern Rohstoffe, stellen daraus Güter her, konsumieren sie und lagern die Abfälle dann in vielen Fällen auf Mülldeponien. Die ganze Idee der Kreislaufwirtschaft ist es, Ressourcen so lange wie möglich im Produktions- und Konsumzyklus zu halten."

Dieses Prinzip müsse man vor allem auf die drei wichtigsten Aktivitäten der Menschheit anwenden: Mobilität, Nahrungsmittel und Wohnen. "Diese drei Aktivitäten machen zusammen etwa 60 Prozent der Ausgaben von Haushalten aus und sind für 80 Prozent des Ressourcenverbrauchs verantwortlich." Es gebe verschiedene Möglichkeiten, mit den Ressourcen schonender umzugehen, so Potocnik. Eine davon sei das Teilen. "In 15 oder 20 Jahren wird es große Städte ohne Privatautos geben."

Das Konzept des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei eigentlich überholt, sagte Potocnik. "Das Schöne am BIP ist seine Einfachheit. Wir sind daran gewöhnt und wissen was es bedeutet. Kurzfristig ist Wachstum mit Beschäftigung verbunden und mit einer besseren Lebensqualität. Aber wenn man die Dinge langfristig betrachtet, zeigt sich ein anderes Bild. Wenn man z.B. eine Arbeitslosigkeit von 7 Prozent hat, und jedes Jahr wächst die Wirtschaft, dann hat man nach 50 Jahren Wirtschaftswachstum vielleicht noch immer 7 Prozent Arbeitslosigkeit." Auch werde im BIP nicht berücksichtigt, welche Art von Gütern und Dienstleistungen produziert werden. "Das Problem mit diesem Modell ist: Es kann langfristig keinen Bestand haben. Man kann es nicht auf die gesamte Weltbevölkerung ausweiten."

Es sei richtig, dass viele Länder noch großen Nachholbedarf hätten, wofür Wirtschaftswachstum notwendig sei, räumte der Wirtschaftsprofessor ein. "Aber es gibt auch Länder, deren größtes Problem nicht die Wachstumsrate ist, sondern die Umverteilung des Wohlstandes."

Selbst in Ländern wie China hätten die politischen Eliten schon erkannt, dass sie Probleme wie die Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung angehen müssten.

(Schluss) ivn/gru

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