14.03.2014 09:59:32
|
Europäische Firmen wagen sich nur zögerlich in den Iran vor
Von Laurence Norman und Benoit Faucon
Die Beziehungen zwischen der EU und dem Iran bleiben auch nach der vorläufigen Einigung im Atomstreit angespannt. Deshalb finden Kontakte auf Geschäftsebene bestenfalls an der Oberfläche statt. Trotzdem sorgt sich das Weiße Haus über eine mögliche Vertiefung von wirtschaftlichen und politischen Bindungen der Europäer in das von westlichen Sanktionen betroffene Land.
Die europäischen Konzerne wollen einen Reputationsverlust in den USA vermeiden und halten sich auch deswegen im Iran zurück, obwohl sie an Geschäften mit dem Staat durchaus interessiert sind. Die politischen Beziehungen hängen derweil vom Ausgang der Nukleargespräche ebenso ab wie Differenzen über Syrien und Menschenrechte. Auch der schlingernde Friedensprozess im Nahen Osten könnte besseren Beziehungen im Weg stehen.
Im November unterzeichnete das Land in der Atomfrage einen Interimsdeal mit seinen sechs Verhandlungspartnern. Der Iran schränkt seine Nuklearaktivitäten teilweise ein. Im Gegenzug setzte der Westen einige seiner Sanktionen aus. Gespräche über ein Abschlussabkommen gehen Anfang kommender Woche weiter. Bis zum Juli wollen beide Seiten eine Einigung erreicht haben. Bei solch einem Deal müsste Teheran strikte Auflagen für sein Atomprogramm akzeptieren. Dafür würden die meisten Sanktionen endgültig fallen. Sollten die Gespräche scheitern, dürften die Daumenschrauben wieder angezogen werden.
Momentan trifft man in den Teheraner Top-Hotels und Restaurants kaum auf europäische Manager. Aus Frankreich kam im Februar eine Delegation von 120 Firmen. Das zog postwendend einen Rüffel von Präsident Barack Obama nach sich. Kleinere Gruppen reisten unter anderem aus Österreich und Deutschland an.
Europäische Unternehmer zeigen sich nervös und angespannt im Hinblick auf Kontakte zum Iran. Einige Manager tauschen keine Visitenkarten aus, um ihre Präsenz in dem Land nicht zu dokumentieren. Drei Viertel der Unternehmen, die für den Nationalfeiertag in Teheran spendeten, wollten ihre Zahlungen lieber geheimhalten, so ein Diplomat.
Selbst die italienische ENI engagiert sich kaum im Mullah-Staat. Vor den breitangelegten Wirtschaftssanktionen des Westens waren die Südeuropäer in dem Land stark involviert. Mittlerweile residiert nur ein ausländischer ENI-Manager in Teheran. Anfang der 2000er seien es noch mehrere Dutzend gewesen, wundert sich ein Diplomat.
Die dichten finanziellen Restriktionen, die für den Iran gelten, machen internationale Zahlungen sehr beschwerlich. Das schließt kleinere Unternehmen praktisch von diesem Markt aus. Dabei kaufen wohlhabendere Iraner äußerst gerne teure italienische Designer-Mode und deutsche High-Tech-Güter. "Selbst wenn das Wirtschaftsumfeld jetzt positiver aussieht, ist die Entscheidung, dort Geschäfte zu betreiben, noch immer hochriskant", bekräftigt Direktorin Luisa Santos vom Unternehmerverband Business Europe.
Auch politisch bleiben trotz des Tauwetters Meinungsverschiedenheiten. Am 8. März reiste deswegen die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Teheran. Die Politikerin wollte ausloten, was in der Zukunft an Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem Gottesstaat möglich ist. Für den Iran war der Besuch ein klares Signal an Freund und Feind zugleich: Wir finden aus unserer relativen internationalen Isolation heraus. Die EU sollte ihr Engagement in dem Land schneller vertiefen, meinen einige Beobachter.
Da die USA ihre Bemühungen im Nahen Osten in Zukunft eher zurückfahren dürften, sei es für die EU angezeigt, Wege zu finden, mit Teheran mittelfristig zusammenzuarbeiten, meint Direktor Daniel Keohane von der Madrider Denkfabrik FRIDE. Das gelte für Themen von Energie bis hin zu regionaler Sicherheit.
Erheblichen Hindernisse für eine Annäherung kamen jedoch vergangenes Wochenende an die Oberfläche. Es gebe keinerlei Gespräche über die Eröffnung einer EU-Mission in dem Land, bekräftigte Ashton. Zudem kommen die Diskussionen über Menschenrechte nicht voran. Es soll nun zunächst der richtige Mechanismus für einen künftigen Dialog gefunden werden.
Konservative iranische Abgeordnete und Zeitungen schimpften über die Entscheidung Ashtons, bei ihrem Besuch auch weibliche Menschenrechtsaktivisten zu treffen. Das sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Die Volksvertreter drohten damit, Beamte des Außenministeriums vor das Parlament zu zitieren, damit diese das Vorkommnis rechtfertigten.
Andere fassen Teheran lediglich mit Samthandschuhen an. Großbritannien pflegt seine Kontakte zum Mullah-Regime immer noch nur mit einem Londoner Chargé d'Affaires. Im November 2011 schloss das Land seine iranische Botschaft, nachdem ein Mob das Gebäude attackiert hatte. Trotzdem intensivierte die Downing Street jetzt den Dialog mit dem Iran.
Der Mullah-Staat könne warten, bis die Beziehungen zum Westen wieder so etwas wie blühten, betonen Regierungsvertreter aus Teheran. Allerdings hat Präsident Hasan Rouhani nach Jahren der Sanktionen, Stagnation und Inflation einen schnellen Wirtschaftsaufschwung als eine seiner Prioritäten definiert. Der Iran heiße europäische Geschäftspartner willkommen, drückt sich der stellvertretende Außenminister Majid Ravanchi im Interview sehr klar aus. Aber die Wirtschaft sei auch nicht in einer solchen Schieflage, dass das Land nicht warten könne. "Wir stehen unter Sanktionen. Trotzdem kommen wir zurecht." Wenn die Zeit gekommen sei, fänden Partner aus dem Iran und der EU wieder stärker zueinander, um zusammen Geschäfte zu betreiben.
Kontakt zu den Autoren: unternehmen.de@dowjones.com
DJG/DJN/axw/bam
(END) Dow Jones Newswires
March 14, 2014 04:40 ET (08:40 GMT)
Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 04 40 AM EDT 03-14-14
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!