Laut einem Bericht der Welt am Sonntag führt eine Gruppe deutscher Professoren und Unternehmer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen den Plan der EZB, neben Staats- künftig auch Unternehmensanleihen anzukaufen, um die Finanzierungsbedingungen zu lockern und die Zinsen zu senken. Die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht fällt in eine Zeit harscher Kritik aus Deutschland an der Niedrigzinspolitik der EZB.

   Der Berliner Ökonom und Anwalt Markus C. Kerber sagte dem Blatt: "Die aktuelle Politik der EZB ist weder notwendig, noch geeignet, unmittelbar die Konjunktur im Euroraum durch Steigerung der Inflationsrate auf circa 2 Prozent der Verbraucherpreise zu beleben."

   Die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht reiht sich in zunehmend kritische Äußerungen aus Deutschland an der Niedrigzinspolitik der EZB ein. So forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die EZB in dieser Woche erneut auf, über ein Ende ihre ultralockeren Geldpolitik nachzudenken. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bezeichnete eine lockere Geldpolitik als grundsätzlich angemessen, sagte aber auch diese Politik dürfe wegen der mit ihr einhergehenden Risiken und Nebenwirkungen nicht länger als unbedingt notwendig fortgeführt werden.

   Die deutschen Banken leben stärker als die anderer Länder von der Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzinsen. Außerdem verlassen sich deutsche Anleger stärker als die anderer Länder auf die immer ertragsärmeren Festzinsprodukte. Das gleiche Problem besteht aus Sicht der Versicherer.

   Die EZB hat im März beschlossen, ihre Leitzinsen um 5 bis 10 Basispunkte zu senken, wobei der Satz für Überschusseinlagen der Geschäftsbanken bei der EZB inzwischen bei minus 0,40 Prozent. Zudem wurde das Monatsvolumen des Wertpapierankaufprogramms von 60 auf 80 Milliarden Euro erhöht und der Ankauf von Unternehmensanleihen beschlossen. Diese Papiere sollen ab Juni gekauft werden. Bundesbank-Präsident Weidmann, der bei der Ratssitzung im März nicht stimmberechtigt war, hat diese Beschlüsse kritisiert.

   Die EZB begründet die abermalige Lockerung ihrer ohnehin schon sehr expansiven Geldpolitik mit dem Risiko, dass die anhaltend niedrige oder sogar negative Inflation die Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure destabilisieren könne, was über Lohn- und Preisformationsprozesse zu einem weiteren Inflationsrückgang führen würde.

   Ökonom Kerber sagte der Welt am Sonntag, es gehe darum, eine Institution "einzuhegen", die sich zwar als regelbasierte Gewalt bezeichne, aber faktisch nicht an Regeln halte. Ähnliche Töne hatte in dieser Woche Schäuble angeschlagen, als er sagte, die Unabhängigkeit der EZB beruhe auf einer engen Begrenzung ihres Mandats.

   Kerber wirft der EZB in seinem an die Karlsruher Verfassungsrichter gerichteten Schriftsatz vor, sich wie ein "souveräner Diktator" aufzuführen und die Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen aus den Augen zu verlieren. Sollte die EZB ihre Ankündigung wahrmachen, würde sie über die nationalen Zentralbanken Anleihen für mindestens 1,74 Billionen Euro erwerben. Dadurch würden auch für die deutschen Steuerzahler erhebliche Risiken entstehen, die nicht durch den Deutschen Bundestag abgesegnet seien.

   "Hiermit hat sich die EZB ermächtigt, nach vagen Bonitätskriterien und ohne feste quantitative Grenzen in diesen Markt einzudringen, die Eurozone zum Paradies für Unternehmensanleihen zu machen und den Wettbewerb zu verfälschen. Die Diskriminierung von Unternehmen, die sich nicht auf dem Kapitalmarkt befinden, liegt auf der Hand", heißt es laut Welt am Sonntag in dem Schriftsatz.

   Nach Angaben des Blatts hoffen die Beschwerdeführer, dass das Bundesverfassungsgericht zumindest die Bundesbank daran hindern wird, sich weiter an den verschiedenen Kaufprogrammen der EZB zu beteiligen. Das gleiche Gericht berät derzeit über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das das so genannte OMT-Programm der EZB für rechtmäßig erklärt hat. Dieses Urteil ist das Ergebnis einer Anfrage des BVerfG, das das OMT selbst zuvor als rechtswidrig eingestuft hatte.

   Im Rahmen von Outright Monetary Transactions (OMT) würde die EZB am Sekundärmarkt Anleihen eines Staats kaufen, dessen Zinsen sie für zu hoch hält, weil sich darin die Erwartung der Märkte spiegelt, dass das Land gegen seinen Willen aus dem Euro ausscheiden könnte. Alleine durch die Vorankündigung eines solchen Programms war es der EZB gelungen, die in die Höhe geschossenen Staatsanleiherenditen der so genannten Peripheriestaaten stark zu senken.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versucht, dieses von ihm anfangs begrüßte Vorgehen der EZB in Zweifel zu ziehen. Schäuble wies kürzlich darauf hin, dass ein solches OMT-Programm nicht ohne ein Hilfsprogramm des Rettungsfonds ESM und dessen Primärmarktankäufe von Staatsanleihen möglich sei. "Mit der Ankündigung von OMT habe ich gesagt, wir werden niemals einem Rettungsprogramm mit Operationen am Primärmarkt zustimmen", sagte Schäuble im April.

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)

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