20.01.2014 12:12:35
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Energiepreise geben EZB Spielraum für Lockerung
Von Hans Bentzien
Eine schwache Konjunktur und ein steigendes Angebot an Öl und Gas lassen die europäischen Energiepreise sinken. In den nächsten Monaten dürfte Energie deshalb weiter Abwärtsdruck auf die ohnehin schon niedrige Inflation ausüben. Der Europäischen Zentralbank (EZB) eröffnet das Spielraum für eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik. Wird sie ihn nutzen?
Welche Entwicklung derzeit bei den Energiepreisen abläuft, lässt sich gut an den deutschen Erzeugerpreisen verfolgen, denen die Verbraucherpreise früher oder später folgen. Öl und Gas kosteten im Dezember 4,8 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Sollten diesen beiden Bestandteile der gesamten Energiepreise (die um 1,1 Prozent unter Vorjahresniveau lagen) wieder positive Jahresveränderungsraten liefern, müssten die Preise in nächster Zeit kräftig steigen.
Tatsächlich tun sie aber das Gegenteil. "Rohöl kostete in der ersten Januar-Hälfte in Euro gerechnet 4,5 Prozent weniger als im Dezember, und in den nächsten Wochen werden die Rohölpreise wohl auf dem gesunkenen Niveau verharren", sagt Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil.
Es ist ein Mix verschiedener Ursachen, der die Energiepreise derzeit unter Druck setzt: Auf der einen Seite ist die Nachfrage nach Öl und Gas nicht besonders stark. Ein Grund dafür ist die Wachstumsschwäche einiger Ölkonsumenten: Die Wirtschaft des Euroraums dümpelt lediglich vor sich hin, Schwellenländer wie Indien steuern auf neue Wachstumstiefs zu, und die USA importieren immer weniger Öl, weil sie dank Horizontalbohren und Fracking immer mehr Öl und Gas selbst produzieren.
Womit wir beim Angebot wären: Ein wichtiger Faktor ist die so genannte Schiefergasrevolution. Amerikas Unternehmen setzen viel mehr Gas ein als früher, wodurch die USA zum weltweit drittgrößten Exporteur von Steinkohle geworden sind. Das drückt den Kohlepreis. Außerdem haben die neuen Bohr- und Fördertechnologien sie zum größten Ölförderer - noch vor Saudi-Arabien - werden lassen.
Zwar dürfen US-Unternehmen kein Erdöl exportieren, doch setzt schon die Ausfuhr von Raffinerieprodukten den Weltmarktpreis unter Druck. In noch stärkerem Maße gilt das für den Gaspreis. "Es gibt einen deutlichen Gas-Überschuss auf dem internationalen Markt, was auch Bewegung auf die Gaspreise in verschiedenen Regionen bringen wird", sagt Claudia Kemfert, die die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung leitet.
Und Ökonomen sind sich einig in der Einschätzung, dass es weitere Abwärtsrisiken für die Energiepreise gibt. Eines davon ist die Einigung des Westens mit dem Iran im Atomstreit und die Aufhebung diverser Embargos. "Auch wenn die Ölmengen, die dann auf den Markt kämen, zunächst gering wären - eine Aufhebung des Embargos hätte einen psychologischen Effekt", sagt ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Eine politische Entspannung in der Region spräche für einen breiteren Abwärtsdruck auf die Energiepreise.
Allerdings glaubt Brzeski nicht, dass die EZB auf eine erneut rückläufigen Inflation gleich mit einer Zinssenkung reagieren würde. "Der EZB-Präsident hat bei der jüngsten Pressekonferenz versucht, den Link zwischen Inflationsrückgängen und Zinssenkungen zu unterbrechen", sagt er. "Schießen" wird die EZB seiner Ansicht nach nur, wenn die Inflation aus konjunkturellen, also nachfrageseitigen Gründen weiter zurückgeht. Ein Rückgang des Ölpreises jedoch ist ein Angebotsfaktor.
Anders sieht das Commerzbank-Volkswirt Weil. Weil erwartet, dass die Euroraum-Inflation im Januar auf 0,6 Prozent zurückgehen und sich damit noch weiter vom Zielwert von knapp 2 Prozent entfernen wird. "Auch wenn dies alleine auf die volatilen Energiepreise zurückzuführen und der unterliegende Inflationstrend unverändert seitwärts gerichtet ist, dürften die Tauben im EZB-Rat eine weitere geldpolitische Lockerung fordern", sagte er. Weils Tipp: Die EZB wird die Veröffentlichung niedrigerer Inflationsprognosen im März dazu nutzen, den Leitzins auf 0,10 und den Einlagenzins auf minus 0,10 Prozent zu senken.
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