16.07.2015 13:10:48

Echte politische Zusammenarbeit mit Iran dürfte EU schwerfallen

   Von Laurence Norman

BRÜSSEL (Dow Jones)-- Das iranische Nuklearabkommen vom Dienstag dürfte die Wiederaufnahme intensiver diplomatischer Gespräche zwischen der Europäischen Union und Teheran zur Folge haben. Beiden Seiten liegt an der Verbesserung ihrer vernachlässigten Beziehungen. Aber eine echte politische Zusammenarbeit könnte sich als schwieriger erweisen.

   Zweifel an den wahren Ambitionen Teherans, unterschiedliche Auffassungen innerhalb der EU-Regierungen und der begrenzte Einfluss Europas in einem turbulenten und gespaltenen Nahen und Mittleren Osten dürften die Zusammenarbeit bei Themen wie Syrien, Jemen und Irak jedenfalls gehörig einschränken. Zunächst jedoch hat die Übereinkunft den Weg für eine Reihe von hochrangigen Besuchern in Teheran bereitet. Er plane, bald dorthin zu reisen, sagte der französische Außenminister Laurent Fabius am Mittwoch.

Hektische diplomatische Reisetätigkeit Er hoffe, Großbritannien und Iran könnten bis zum Jahresende ihre jeweiligen Botschaften vollständig wieder eröffnen, meinte derweil der britische Außenminister Philip Hammond. Die Verbindungen waren 2011 abgebrochen, nachdem die britische Botschaft in Teheran gestürmt worden war. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will am Sonntag zu einer dreitägigen Reise in den Iran aufbrechen. Der Minister, der zunächst nach Teheran reist, wird dabei von einer Wirtschaftsdelegation begleitet.

   Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die bei den Verhandlungen den Vorsitz führte, will im Jahr 2016 in Teheran die erste EU-Mission eröffnen. Sie hofft, damit "ein neues Kapitel" in den Beziehungen aufschlagen zu können.

   Wirtschaftlich gesehen besteht kein Zweifel, dass der Nukleardeal vom Dienstag das Potenzial bietet, mit der Zeit die Verbindungen zwischen der EU und Iran gedeihen zu lassen. Wenn der Pakt Bestand hat, könnten in den kommenden Jahren enorme europäische Investitionen in Iran vorgenommen werden. Das Land könnte ein führender Energielieferant für ein Europa werden, das sich von russischen Gasimporten unabhängiger machen will. Auch andere wirtschaftliche und finanzielle Verknüpfungen könnten aufleben.

   Europas politisches Gewicht im Iran geltend zu machen, dürfte da schon schwieriger sein.

Mogherinis ehrgeizige Vision "Es besteht eine allgemeine Bereitschaft, Iran mit einzubinden, aber sehr wenig Substanz hinsichtlich konkreter Konzepte darüber, was wir tun sollten", sagt Cornelius Adebahr des Carnegie Endowment for International Peace. Europa könne ohne starke Unterstützung oder Führung aus Washington wenig erreichen, meint er.

   Mogherini entwarf in einem Interview eine ehrgeizige Vision, wie die Verbindungen zu Teheran künftig aussehen sollten. Dabei betonte sie besonders die lang anhaltenden kulturellen und geschäftlichen Verbindungen der EU zu Iran. Nachdem nun nach einem Jahrzehnt der Gespräche ein Nuklearpakt geschlossen worden sei, sollte die EU daran arbeiten, eine Reihe von einflussreichen Akteuren im Nahen Osten, darunter auch Iran, zusammenzubringen. Dann könne man sehen, "ob einige Formen der regionalen Kooperation möglich sind", sagte sie.

   "Ob man das will oder nicht, der Iran befindet sich an den Rändern oder im Zentrum eines komplexen Bilds regionaler Konflikte", sagte Mogherini. "Der Hauptaspekt dort wäre es, Iran dazu zu ermutigen, sich mit den Golfstaaten einzulassen und umgekehrt."

   Die EU solle jetzt den breiten Rahmen von Verbindungen im Bereich Energie, Handel, Wirtschaft und geopolitischer Zusammenarbeit wieder neu erschaffen, die in den späten 1990er Jahren unter dem gemäßigten ehemaligen iranischen Präsident Mohammed Khatami gewachsen waren. So argumentierte Ellie Geranmayeh vom European Council of Foreign Relations. Geranmayeh schlug zudem vor, die EU solle eine "Sicherheitsarchitektur" entwerfen, um sowohl Iran als auch Saudi-Arabien zu beherbergen.

Tiefes Misstrauen gegenüber Teheran "Die Europäer sollten untersuchen, ob sich Iran bei regionalen Problemen konstruktiver engagieren kann. Dabei sollten sie sich dessen bewusst sein, dass Fortschritte hier Gegenleistungen erforderlich machen und bestenfalls schrittweise erfolgen dürften", schrieb sie in einem Artikel, der am Dienstag erschienen ist.

   Das Ziel der EU, mit Iran zusammenzuarbeiten, sei richtig, sagt Guillaume Xavier-Bender vom German Marshall Fund. Doch die größere Herausforderung werde kurzfristig darin bestehen, die Golfstaaten und Israel, die dem Nuklearabkommen zutiefst skeptisch gegenüber stehen, zu beruhigen, dass die Verbindungen nicht aufgelöst würden.

   Es gäbe unter den 28 Mitgliedsstaaten der EU unterschiedliche Ansätze, wie man Umgang mit Iran pflegen solle. Frankreich zum Beispiel, das während der Atomgespräche einen harten außenpolitischen Kurs vertrat, hat den Verbindungen mit Saudi-Arabien Priorität eingeräumt. Saudi-Arabien zählt als sunnitische Nation zu den Feinden Irans in der Region.

   Deutschland hat starke wirtschaftliche Verbindungen mit Iran, die sich ausweiten dürften. Berlin schützt aber auch seine Beziehung zu Israel. Führende deutsche Offizielle hielten sich von Teheran fern, seitdem die Wahl von Präsident Hassan Rouhani Mitte 2013 neuen Schwung in die Nukleardiplomatie brachte.

   Einige EU-Mitgliedsstaaten wie Dänemark oder die Tschechische Republik wollen Menschenrechtsfragen in den Mittelpunkt eines iranischen Dialogs stellen. Dieses Thema hat schon in der Vergangenheit für Verstimmung gesorgt.

   "Es besteht definitiv die Annahme in Brüssel, dass ein Abkommen zu einer größeren Zusammenarbeit mit Iran führt", meint Xavier-Bender. "Meiner Meinung nach wird es viel komplizierter sein, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten ihre Beziehungen neu gestalten."

Der EU mangelt es an Einfluss in der Region Und doch ist es der Mangel an Einfluss der EU in der Region, der vor allem Vorsicht walten lässt, sagt Adebahr.

   Er ist der Meinung, dass reiche Golfstaaten kaum Interesse an den EU-Bemühungen hätten, sie in ein Zwiegespräch mit Iran einzubinden. Schon gar nicht bei Themen wie dem Jemen, wo eine viermonatige saudische Militärkampagne auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Im vergangenen Jahr hatten es die Saudis ihren westlichen Partnern klar gemacht, dass Iran außen vor bleiben müsse, wenn sie Riad im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat mit an Bord haben wollten.

   Dazu kommt, dass Teheran Milliarden ausgegeben hat, um das Assad-Regime in Syrien und Milizen im Irak zu unterstützen. Deswegen bleiben einige europäische Diplomaten skeptisch, zu viel Vertrauen in die Bereitschaft Teherans zu investieren, konstruktiv an einer Lösung der Konflikte mitzuarbeiten.

   Für die EU sei es besser, so führt Cornelius aus, im Kleinen zu beginnen und ihre Erfahrung bei der multinationalen Zusammenarbeit zu nutzen. Sie solle sich auf spezifische technische Projekte konzentrieren. Die EU wäre gut beraten, regionale Rahmenwerke für Themen wie die maritime Sicherheit und den Umweltschutz zu untersuchen. Dieser Ansatz könnte den Grundstein für eine zukünftige Kooperation legen und dabei ideologische und geopolitische Krisenherde vermeiden.

Mitarbeit: Jenny Gross Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   July 16, 2015 07:05 ET (11:05 GMT)

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