Geldpolitik gelockert |
10.03.2016 17:04:40
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EZB senkt Leitzins und weitet Anleihenkaufprogramm aus
Die Notenbanker senkten den Hauptrefinanzierungssatz von bislang 0,05 Prozent auf 0 Prozent und den Spitzenrefinanzierungssatz von 0,30 auf 0,25 Prozent. Mit diesen Schritten hatten Bankvolkswirte nicht gerechnet. Außerdem fällt der Einlagensatz weiter ins Negative. Er sinkt von minus 0,30 auf minus 0,40 Prozent. Dies hatten Experten erwartet.
ZINSANHEBUNG AUF DAUER NICHT IN SICHT
Auch in Zukunft dürfte sich vorerst nichts an dem lockeren geldpolitischen Kurs ändern. Die Zinsen dürften für längere Zeit auf dem aktuellen oder sogar auf niedrigerem Niveau bleiben, sagte EZB-Präsident Mario Draghi bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid. Die niedrigen Raten dürften über die Laufzeit des Wertpapierkaufprogramms hinaus bestehen bleiben, so Draghi. Allerdings sehe er derzeit auch keinen Grund für weitere Zinssenkungen.
Hintergrund der Maßnahmen sind die mauen wirtschaftlichen Aussichten. Die Notenbanker senkten ihre Prognosen für Inflation und Wachstum durchweg und teilweise deutlich. Für das laufende Jahr rechnen sie nur noch mit einer Inflationsrate von 0,1 Prozent. Bisher waren sie von 1,0 Prozent ausgegangen. Das Wachstum sieht die EZB in diesem Jahr bei 1,4 Prozent. Bislang war sie von 1,7 Prozent ausgegangen.
MEHR WERTPAPIERKÄUFE
Neben den Zinssenkungen wurde auch das im März 2015 gestartete Kaufprogramm von Wertpapieren ausgeweitet. Anstatt bisher 60 Milliarden Euro je Monat wird die Notenbank ab April 80 Milliarden Euro investieren. Die Grenze, wie viele Anleihen eines Schuldners gekauft werden können, wurde für internationale Organisationen und Förderbanken von 33 auf 50 Prozent nach oben gesetzt. Die Anleihekäufe sollen wie bisher geplant bis mindestens März 2017 laufen.
Darüber hinaus erweiterte die EZB ihre Liste mit kaufbaren Wertpapieren. Nachdem sie bisher vor allem Staatsanleihen, daneben besicherte Bankanleihen, Kreditverbriefungen und Anleihen von Förderbanken und internationalen Organisationen erworben hat, will sie jetzt auch Anleihen von Unternehmen außerhalb des Bankensektors kaufen. Dieses müssen ein Kreditrating im sogenannten Investment-Grade-Bereich aufweisen, es werden also keine "Ramschanleihen" gekauft.
NEUE LANGFRISTKREDITE
Außerdem werden neue Langfristkredite zur Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld aufgelegt (TLTROs). Die neuen Kredite sollen ab Juni laufen und lehnen sich an bereits existierende Kreditprogramme an. Die Laufzeit soll vier Jahre betragen.
Die abermalige Lockerung der europäischen Geldpolitik hat unter Experten viel Kritik hervorgerufen, vor allem aus Deutschland. Die Lockerungen stellten Banken vor massive Probleme und seien ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa, sagte Sascha Steffen, Finanzmarktexperte beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Zudem sei nicht klar, ob die Strategie der EZB aufgehe, mit ihren Maßnahmen das allgemeine Zinsniveau zu senken. "Die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, um profitabel zu arbeiten", so Steffen.
EXPERTE: EZB BEWEGT SICH AUF DÜNNEM EIS
Die EZB bewege sich auf dünnem Eis, meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Viele Bürger seien über die EZB-Geldpolitik verunsichert. "Vertrauensbildende Maßnahmen sehen jedenfalls anders aus." Nach Einschätzung von Jan Holthusen, Experte bei der DZ Bank, geht die EZB mit ihrer Ausweitung der Wertpapierkäufe das Risiko ein, dass der Markt für Staatsanleihen austrocknet.
Die Märkte zeigten sich von dem Ausmaß der Lockerungen zunächst überrascht, allerdings blieben die Reaktionen nicht nachhaltig. Der Euro (Dollarkurs) fiel zum US-Dollar zwischenzeitlich um über 1,5 Cent auf 1,0822 Dollar. Das war der tiefste Stand seit Ende Januar. zuletzt kostete der Euro aber deutlich mehr als 1,11 Dollar. Die Kurse von Staatspapieren aus dem Euroraum legten zu, vor allem bei Papieren südeuropäischer Länder. Der deutsche Aktienindex DAX stieg zunächst bis auf fast 10 000 Punkte, lag zuletzt aber mit 0,56 Prozent im Minus bei 9669,03 Punkten. Hintergrund waren eine schwache Wall Street und der stärkere Euro, der den Export erschwert.
FRANKFURT (dpa-AFX)
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