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13.11.2013 17:04:30

EZB lockt die Tauben heraus

   Von Hans Bentzien

   Die unerwartete Zinssenkung der EZB zeigt, dass die Mehrheit des EZB-Rats beunruhigt über die sehr niedrige Inflation im Euroraum ist. Zwar bestreitet Präsident Mario Draghi das Risiko einer "echten Deflation" und beharrt darauf, dass die Auf- und Abwärtsrisiken für die Preisentwicklung "weit gehend ausgewogen" seien, doch ermuntert sein faktisches Eingeständnis die "geldpolitischen Tauben" weltweit zu Ratschlägen für eine noch viel radikalere Lockerung der Geldpolitik. Deutsche Volkswirte sind allerdings kaum dabei.

   Als die Inflationsrate im Oktober auf 0,7 Prozent fiel, wurden sofort Stimmen laut, die eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) forderten. Manche - auch deutsche - Ökonomen äußerten hinter vorgehaltener Hand die Hoffnung, dass die EZB den Zins senken würde. Aber prognostiziert haben es nur ganz wenige - unter anderem deshalb, weil sie eine entsprechende Kommunikation der EZB vermissten, und weil so etwas immer auch ein Statement ist.

   Nachdem nun aber die Zinsen tatsächlich gesenkt wurden, obwohl die Inflationserwartungen laut Draghi "fest verankert" sind, ist klar: Die EZB nimmt die Deflationsrisiken ernst. Zwar erwartet sie keinen sich selbst verstärkenden und breit über Güterklassen und Länder angelegten Preisrückgang, aber ihr ist die derzeitige Inflation gemessen am Zielwert von knapp 2 Prozent einfach zu niedrig.

   Die Frage, was die EZB als nächstes zu bieten hat, treibt vor allem geldpolitische "Tauben" wie Adam Posen um. Der Chef des Peterson Institute for International Economics und frühere Notenbanker der Bank of England hat drei Forderungen an die Frankfurter Zentralbanker. Erstens: Präsident Mario Draghi soll analog zu seinem Vorgehen 2012 zusagen, dass die EZB "alles Erforderliche tun wird, damit die Inflation steigt".

   Sie soll zweitens das Problem der fragmentierten Kreditmärkte beseitigen, indem sie an diesen Märkten interveniert, unter Umständen über den Kauf und Verkauf von Bankanleihen. Und sie soll drittens aufhören, von den Regierungen harsche Einsparungen zu fordern. Realistische Aussichten auf eine Umsetzung sieht Posen nur für Forderung eins. Interventionen und Verzicht auf wirtschaftspolitische Ratschläge dagegen hält er für unwahrscheinlich beziehungsweise. unmöglich.

   Noch weiter gehen die Vorschläge von Paul Mortimer-Lee, dem Chefvolkswirt von BNP Paribas. Seiner Ansicht nach muss die EZB "besser früher als später" ein Staatsanleihekaufprogramm nach dem Vorbild der Federal Reserve auflegen. Dabei sollte sie in den nächsten Jahren Staatsanleihen für 1.440 Milliarden Euro aufkaufen, um das Wachstum und das Niveau der breiten Geldmenge M3 wieder auf Kurs zu bringen.

   "Wir raten nicht dazu, das alles in einem Jahr aufzuholen, sondern schlagen monatliche Käufe von 50 Milliarden Euro in den ersten beiden Jahren vor", erläutert der Chefvolkswirt von BNP Paribas. Auf Bundesanleihen würden damit gut 13 Milliarden Euro entfallen. Mortimer-Lee ist sich natürlich bewusst, dass die Rendite deutscher Bundesanleihen schon jetzt extrem niedrig ist.

   Eine weitere Absenkung würde nach seiner Einschätzung aber sehr erwünschte Folgen haben: Da über 60 Prozent der Bundesanleihen von Ausländern gehalten werden und auch französische Staatsanleihen im Ausland sehr beliebt sind, würden EZB-Käufe den Euro-Wechselkurs drücken, kalkuliert Mortimer-Lee. Die Renditen anderer Euro-Staatsanleihen würden ebenso sinken wie die Renditeabstände zu Bundesanleihen. "Bundesanleihen, französische und die Staatsanleihen anderer Kernländer sind genau die Papiere, die die EZB kaufen sollte", sagt er.

   Auch Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert hält Wertpapierkäufe für ein wirksames Instrument gegen Deflationsrisiken - wenn es sie denn wirklich gibt. "Wenn es der EZB tatsächlich um Disinflation oder Deflationsrisiken geht, muss sie effektivere Sachen machen - den Einlagensatz negativ machen oder die Liquidität erhöhen, wobei Langfristtender viele negative Nebenwirkungen haben. Deshalb sind wir dann schnell bei Wertpapierkäufen", sagt Schubert.

   Wenn die EZB ein Signal gegen Deflationsrisiken für notwendig halte, dann sollte sie ihre Käufe am besten sehr breit über Länder und Wertpapierklassen streuen, rät Schubert. Das sei wichtig für die Glaubwürdigkeit so einer Aktion. "Wenn die Leute glauben, dass es funktioniert, dann funktioniert es."

   Allerdings gehören die Volkswirte der Commerzbank nicht zu den "Tauben" und sie sind auch nicht der Meinung, dass es ernsthafte Deflationsrisiken für den Euroraum gibt. Vielmehr sehen sie hinter dem Inflationsrückgang eine Reihe von Faktoren wie den rückläufigen Ölpreis, langsamer steigende Nahrungsmittelpreise und niedrigere Steuererhöhungen als im Vorjahr.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

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   November 13, 2013 10:32 ET (15:32 GMT)

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