10.03.2014 19:45:35

EZB/Lautenschläger nicht besorgt über niedrige Inflation

   Von Hans Bentzien

   FRANKFURT--Die neue EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger ist nicht sonderlich besorgt wegen der niedrigen Inflation im Euroraum. Sie will aber Kreditverbriefungen erleichtern, damit die Banken über neue Kredite mehr Wirtschaftswachstum ermöglichen können. In ihrem ersten Interview nach der Ernennung zum Mitglied des Direktoriums der Europäische Zentralbank (EZB) plädierte sie im Gespräch mit dem Wall Street Journal dafür, nicht die Gründe der niedrigen Teuerung aus dem Auge zu verlieren.

   Sollte es allerdings notwendig sein, dann wird die EZB laut Lautenschläger handeln und dabei auch für negative Leitzinsen sorgen. Zu groß angelegten Käufen von Wertpapieren (quantitative easing) durch die EZB äußerte sich die ehemalige Bundesbank-Vizepräsidentin nur vorsichtig.

   Was sie dagegen favorisiert, ist eine Ankurbelung der Kreditvergabe über vorteilhaftere Verbriefungsmöglichkeiten. Sie will dafür sorgen, dass die Regeln für mit Aktiva hinterlegte Wertpapiere (ABS) wieder gelockert werden.

   "Bei der Beurteilung der aktuellen Teuerungsrate muss man immer alle zugrunde liegenden Ursachen betrachten", sagt Sabine Lautenschläger in ihrem Büro im 34. Stock der EZB und zählt einige auf: "Beispielsweise spielt der Rückgang der Energiepreise in diesem Zusammenhang eine sehr große Rolle. Und auch die derzeit in einigen Ländern des Euroraums durchgeführten Strukturreformen wirken sich auf die Preise aus", sagt sie.

   Die EZB ist verpflichtet, mittelfristig für knapp 2 Prozent Inflation zu sorgen. Im Februar betrug der Preisauftrieb nur 0,8 Prozent. Laut aktuellen EZB-Stabsprognosen richtet sich die EZB darauf ein, dass der Inflationszielwert bis Ende 2016 nicht erreicht wird. Im vierten Quartal 2016, so steht es in der jüngsten Prognose, soll die Inflation bei 1,7 Prozent liegen.

   Am Donnerstag vergangener Woche hatte der EZB-Rat nicht nur die Zinsen nicht weiter gesenkt, sondern etwas unerwartet auch auf weitere Maßnahmen zur besseren Liquiditätsversorgung der Banken verzichtet. Die meisten Beobachter hatten daraus gefolgert, dass eine geldpolitische Lockerung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist.

   Dieser Interpretation will sich Sabine Lautenschläger aber nicht anschließen. "Wir werden handeln, wenn dies erforderlich ist. Allerdings gab es keinen gewichtigen Grund zum Handeln", sagt sie unter Verweis auf die moderate Konjunkturerholung, bessere Finanzierungsbedingungen der Banken und die fest verankerten Inflationserwartungen. Und sie fügt später hinzu: "Wir werden handeln, wenn die Bedenken hinsichtlich mittelfristiger Preisstabilität zunehmen."

   Zu den Handlungsoptionen der EZB zählt Lautenschläger einen negativen Zins auf Bankeinlagen bei der EZB, einen Verzicht auf die Neutralisierung der Liquidität, die bei früheren Käufen von Staatsanleihen entstanden ist, neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte für Banken, und Änderungen an den Repo-Sicherheiten-Regeln. Und groß angelegte Wertpapierkäufe?

   Da äußert sich die ehemalige Bundesbank-Vizepräsidentin denn doch vorsichtig. "Das kommt ganz auf die Umstände an, wie zum Beispiel Garantien oder Ähnliches", sagt sie. Derzeit sprechen allerdings die Wachstumsaussichten gegen ein deflationäres Szenario. So lassen die Konjunkturfrühindikatoren ein stärkeres Wirtschaftswachstum im ersten Quartal erwarten. Die Januar-Daten zur Industrieproduktion deuten darauf hin, dass besonders in Deutschland und Italien ein guter Jahresstart gelungen ist, während Frankreich eher schwach abschneidet.

   Aus diesem Grund sehen viele Beobachter derzeit keine wirklichen Deflationsrisiken für den Euroraum, denen nach dem Muster von US-Notenbank und Bank of England mit dem groß angelegten Kauf von Wertpapieren begegnet werden müsste.

   Das angekündigte, aber noch nicht umgesetzte OMT-Staatsanleihekaufprogramm sieht Lautenschläger mit gemischten Gefühlen, lehnt es aber nicht grundsätzlich ab. "Insgesamt sehe ich die von OMTs ausgehenden Anreizstrukturen etwas kritisch, und meiner Meinung nach stellen sich in diesem Zusammenhang einige rechtliche Fragen", sagt sie. Um dann einzuschränken: "Zur konkreten Beantwortung dieser Fragen braucht man jedoch konkrete Umstände - das wirtschaftliche Umfeld, was genau und wie viel gekauft wird, mildernd wirkende Faktoren wie strenge Auflagen und so weiter."

   Am Herzen liegt der früheren Bankaufseherin Lautenschläger ein anderes Mittel, das Wachstum wieder in Gang zu bringen: Die Kreditvergabe könnte gesteigert werden, wenn die Aufsichtsbehörden die Regeln für die Verbriefung von Forderungen in ABS lockern.

   "Die 2010 vom Basler Ausschuss getroffene Entscheidung, die Eigenkapitalanforderungen für Asset-Backed Securities zu erhöhen, war richtig. Meiner Meinung nach wäre es aber sinnvoll, zu untersuchen, ob diese Entscheidung ungewollte Nebenwirkungen hatte für den Markt transparenter und einfach strukturierter ABS, so genannter 'Plain Vanilla ABS'". Wir könnten prüfen, ob die Kapitalanforderungen hier gerechtfertigt oder aber zu hoch sind", sagt Lautenschläger.

   Die Idee dahinter: Wenn es Banken leichter fällt, ihre Bilanz von Krediten zu befreien, wird zugleich Eigenkapital frei, das für neue Kredite verwendet werden könnte. "Wir können an die Mitglieder verschiedener internationaler Gremien, wie den Basler Ausschuss oder den Finanzstabilitätsrat mit der Bitte herantreten, sich nochmals mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen. Und genau dies habe ich auch vor", verspricht die EZB-Direktorin.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

   DJG/hab

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   March 10, 2014 13:45 ET (17:45 GMT)

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