02.10.2013 16:36:30
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EU will soziale Schieflagen besser erkennen
Von Angelika Busch-Steinfort
BRÜSSEL--Als Lehre aus der durch die Wirtschaftskrise hervorgerufene Rekordarbeitslosigkeit in den Ländern des Euroraums will die EU-Kommission fortan die Daten zu Arbeitsmärkten, Haushaltseinkommen, Armutsrisiken und sozialen Ungleichheiten in den Mitgliedstaaten genau beobachten. Wir brauchen Fähigkeiten Tendenzen frühzeitig zu entdecken und nicht erst dann, wenn etwas aus dem Ruder gelaufen ist", sagte Sozialkommissar Laszlo Andor.
Die Sozialpolitik liege zwar in nationaler Verantwortung, betonte der Ungar, werde bei bestimmten sozialen Entwicklungen aber nicht rechtzeitig gegengesteuert, könne dies wirtschaftliche Folgen für den gesamten Euroraum haben. Die Spielregeln der Währungsunion hätten die Möglichkeiten der Staaten eingeschränkt, sich selbst zu helfen, fügte Andor hinzu.
In einer am Mittwoch vorgelegten Mitteilung plädiert die Kommission dafür, einen Sozialanzeiger einzuführen, der regelmäßig einen Überblick über die einschlägigen Schlüsseldaten in den Ländern des Euroraums gibt. Daraus gewonnene Erkenntnisse sollen dann in die länderspezifischen wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Kommission einfließen, die den Mitgliedstaaten einmal jährlich im Rahmen des Europäischen Semesters an die Hand gegeben werden, um eine mehr abgestimmte Politik im gemeinsamen Währungsgebiet zu erreichen.
In der Mitteilung wird zudem vorgeschlagen, Staaten stärker aus dem EU-Haushalt zu unterstützen, in denen aufgrund tiefgreifender Wirtschaftsreformen soziale Spannungen auftreten. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber warnte vor einem "Einstieg in ein Europäisches Sozialsystem".
Eine zentrale Rolle sollen nach dem Vorschlag der Kommission die Sozialpartner im Entscheidungsfindungsprozess des Europäischen Semesters spielen. Sie sollen unter anderem vor der Veröffentlichung der Jahreswachstumsberichte im Herbst angehört werden. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Kommission mit ihren Sozialpartnern zu diskutieren.
Die Kommission bekräftigte außerdem ihren Appell die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern, damit sie die Möglichkeiten des Binnenmarkts nutzen.
Kritik für den Vorschlag gab es reichlich. Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz (SPD) begrüßte zwar die Idee des Sozialanzeigers, wies aber auf einen Mangel an Demokratie hin. Die Kommission wolle über die Konsequenzen etwa aus Arbeitslosendaten nur mit den Mitgliedstaaten reden, ohne Einbindung parlamentarischer Kontrolle.
Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten Udo Bullmann bemängelte die Unverbindlichkeit der Vorschläge. Nur wenn die sozialpolitischen Ziele verbindlich im Europäischen Semester verankert würden, lasse sich "die soziale Schieflage in Europa" wirksam bekämpfen.
Ähnlich äußerte sich Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds. "Mit unverbindlichen sozialen Indikatoren und Warnmechanismen kann keine Balance zwischen wirtschaftliche, fiskalischen und sozialen Zielen erreicht werden." Den Kritikern hielt Kommissar Andor entgegen: "Das ist der Beginn einer neuen Phase und nicht das Ende der Diskussion."
DJG/ang/chg
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October 02, 2013 10:14 ET (14:14 GMT)
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