16.09.2015 16:00:46

EU will TTIP-Kritiker mit Investitionsgerichtshof besänftigen

   Von Christian Grimm

   BERLIN/BRÜSSEL (Dow Jones)-- EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström will den Gegnern des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) an entscheidender Stelle den Wind aus den Segeln nehmen. Die Schwedin hat am Mittwoch vorgeschlagen, die geheim tagenden Investor-Schiedsgerichte durch eine ordentliche Investitionsgerichtsbarkeit zu ersetzen. Es gehe um ein System von Investitionsgerichten, "die demokratischen Grundsätzen und öffentlicher Kontrolle unterliegen", sagte Malmström.

   Die Kritik am transatlantischen Freihandelsabkommen entzündet sich immer wieder an den bisher verdeckt arbeitenden Schiedsgerichten. Konzerne können dort Staaten auf Schadenersatz verklagen, wenn ihnen durch politische Entscheidungen Gewinne wegbrechen. Die TTIP-Gegner argumentieren, dass damit die Demokratie ausgehöhlt werde, weil die Gesetze aus Angst vor Klagen schon im Sinne der Wirtschaft geschrieben würden.

Gabriel lieferte die Vorlage Vor allem in Deutschland als größtem EU-Mitglied ist der Widerstand gegen das Abkommen groß. Deshalb hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bereits zu Jahresbeginn mit anderen sozialdemokratischen Handelsministern vorgeschlagen, die privaten Schiedsgerichte durch eine internationale Spruchkammer zu ersetzen. Malmström hat diese Intention aufgegriffen, um in Deutschland die Freihandelsgegner im Zaum zu halten.

   Konkret soll bei Streitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen ein Gerichtshof erster Instanz geschaffen werden, dessen Urteile in einem Berufungsverfahren angefochten werden können. Das erste Urteil soll binnen 18 Monaten erfolgen, eine Revision im Anschluss nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Heute ziehen sich die Verfahren vor den geheim tagenden Schiedsgerichten im Schnitt zwischen drei und vier Jahren hin.

   Besetzt werden soll das Gericht mit 15 qualifizierten Richtern. Jeweils fünf Richter sollen Europa und die USA entsenden, das verbleibende Drittel mit Richtern aus Drittstaaten gebildet werden. Die Praxis an den Schiedsgerichten, dass hochdotierte Anwälte in die Rolle des Richters wechseln können, wäre damit aufgehoben. Vorbei wäre es auch mit der Geheimniskrämerei, denn Anhörungen und Stellungnahmen müssten in Zukunft veröffentlicht werden.

   Ausgeschlossen werden soll, dass Konzerne Staaten vor dem Investitionsgerichtshof und der nationalen Gerichtsbarkeit parallel verklagen, wie es derzeit zum Beispiel der Atomkonzern Vattenfall mit der Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs tut. Um unseriöse Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, trägt die unterlegene Partei nach den Vorstellungen Brüssels die Kosten des Verfahrens. "Wir wollen ein neues System an den Elementen festmachen, die den Bürgern Vertrauen einflößen", erklärte die EU-Handelskommissarin.

   Aus dem deutschen Mittelstand kommt Lob für den Vorstoß. "Die vorgeschlagene Reform beim Freihandelsabkommen TTIP ist ein entscheidender Durchbruch", meinte der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven. Der Mittelstand steht grundsätzlich hinter TTIP, hatte sich aber an den Schiedsgerichten gestört, die sich aus Sicht der mittelgroßen Firmen nur Konzerne leisten können.

Viele Hürden sind zu nehmen Bevor Malmströms Projekt Wirklichkeit wird, sind noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Erstens müssen die Amerikaner als Verhandlungspartner überzeugt werden, ob sie diesen neuen Gerichtshof mittragen. Zustimmen müssen zweitens auch die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament.

   Bei der Kommission gibt man sich dennoch optimistisch, dass es kommendes Jahr zur grundlegenden Einigung mit Washington kommt. "Aus technischer Perspektive ist es möglich, das Abkommen nächstes Jahr mit Obama abzuschließen", sagte ein an den Verhandlungen beteiligter EU-Offizieller.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/chg/smh

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   September 16, 2015 09:53 ET (13:53 GMT)

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