12.11.2013 06:52:31

EU knöpft sich deutsche Exportstärke vor

   Von Matthew Dalton

   BRÜSSEL--Im Streit um die Stärke der deutschen Exportwirtschaft will die Europäische Union nun ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Sie fürchtet, dass die deutsche Wirtschaft zu einseitig ausgerichtet ist und der schwache deutsche Konsum die gerade beginnende Erholung der Eurozone unterwandern könnte.

   Ein solches Ermittlungsverfahren dürfte die Spannungen zwischen Brüssel und Berlin deutlich erhöhen. Die Bundesregierung hat das deutsche Wachstumsmodell, das stark vom Export abhängt, bisher heftig nach außen verteidigt. Ende Oktober hatte schon das amerikanische Finanzministerium die deutsche Exportstärke kritisiert.

   Der geplante Vorstoß der EU-Kommission dürfte auch die derzeitige Kompetenzverteilung zwischen Nationalstaaten und Europäischer Union kritisch auf die Probe stellen. Dann könnte sich zeigen, wie die EU-Institutionen ihre neu gewonnenen Befugnisse zur Kontrolle der Wirtschaftspolitik in den 17 Staaten der Eurozone ausspielen und wie stark sie makroökonomische "Ungleichgewichte" innerhalb des Währungsraums beheben.

   EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn werde bei der nächsten wöchentlichen Kommissionssitzung am Mittwoch vorschlagen, eine Untersuchung der deutschen Exportstärke einzuleiten, berichteten Personen, die davon wissen. Die übrigen Kommissare dürften die Entscheidung dann absegnen, sagte eine der informierten Personen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte den anstehenden Beschluss später in einem Interview mit dem französischen Fernsehen.

   Die Kommission sieht Handlungsbedarf, weil neue Daten zeigen, dass die deutsche Leistungsbilanz - der breiteste Maßstab zur Erfassung der Waren-, Dienstleistungs- und Finanzströme - in den vergangenen drei Jahren auf einen Überschuss von mehr als 6 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes geklettert ist. Für die Kommission ist damit eine markante Schwelle erreicht: Nach neuen EU-Gesetzen gelten Leistungsbilanzüberschüsse in dieser Größenordnung als "exzessiv".

   Ein Leistungsbilanzüberschuss ergibt sich in der Regel, wenn ein Land mehr exportiert als importiert. Das ist in Deutschland der Fall.

   Experten aus dem US-Finanzministerium und andere Volkswirte haben die deutsche Wirtschaftspolitik dafür kritisiert, dass sie in ihren Augen den Inlandskonsum vernachlässigt. Wenn deutsche Verbraucher zu wenig Güter anderer Staaten kaufen, haben es vor allem die schwächeren Länder der Eurozone schwerer, sich über eine Steigerung ihrer Exporte wirtschaftlich zu erholen. Das könnte in der gesamten Eurozone einen Trend sinkender Preise auslösen, kurz: eine Deflation.

   Die große Frage ist allerdings: Wie könnten die Brüsseler Behörden das Problem lösen?

   Die Untersuchung dürfte mehrere Monate dauern. Im kommenden Frühling kann die EU-Kommission den Finanzministern der Eurozone vorschlagen, den deutschen Leistungsbilanzüberschuss offiziell als exzessiv zu bewerten. Dann würden der Bundesregierung Strafen drohen, wenn sie keine wirtschaftspolitischen Maßnahmen ergreift, um das Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen.

   (Diesen Bericht und weitere tiefergehende Meldungen und Analysen zu aktuellen Wirtschafts- und Finanzthemen finden Sie auf WSJ.de, dem deutschsprachigen Online-Angebot des Wall Street Journal.)

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   November 12, 2013 00:19 ET (05:19 GMT)

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