06.10.2015 15:48:46

EU-Finanzminister wollen ab 2017 Steuerschlupflöcher schließen

   LUXEMBURG (AFP)-- Nach der Affäre um massive Steuervergünstigungen in Luxemburg wollen die EU-Finanzminister Schlupflöcher für grenzüberschreitend tätige Unternehmen schließen. Ein am Dienstag in Luxemburg vereinbarter Kompromiss sieht vor, dass sich die EU-Staaten ab dem 1. Januar 2017 gegenseitig über Steuerabsprachen mit Firmen informieren müssen. Kritiker bezweifelten aber, dass Großunternehmen durch die Vereinbarung tatsächlich mehr Steuern zahlen müssen.

   EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bezeichnete den verpflichtenden Informationsaustausch als "einen ersten Sieg" in einer "Revolution" im Steuerbereich in Europa. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte die Vereinbarung. Es sei "eine schnelle Lösung in kurzer Zeit" gefunden worden.

   Wegen Widerstands mehrerer Mitgliedstaaten wurde die geplante Rückwirkung von ursprünglich zehn auf nur noch fünf Jahre ab Start Anfang 2017 verkürzt. Informationen über Steuerabsprachen mit Unternehmen müssen damit erst ab 2012 veröffentlicht werden, wie Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna sagte, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und mit der sogenannten LuxLeaks-Affäre Ausgangspunkt einer Debatte um unfairen Steuerwettbewerb war.

   Im vergangenen Jahr hatte ein internationales Recherchenetzwerk über hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermeiden. Sie nutzten dazu Tochterfirmen, die im Prinzip selbst keinen Umsatz machten, und verlagerten auf sie ihre Gewinne aus anderen EU-Staaten. Eine zentrale Rolle spielten dabei sogenannte Steuervorabbescheide, in denen Unternehmen von den Finanzbehörden in Luxemburg vorab mitgeteilt wird, wie viel Steuern sie zahlen müssen. Diese "tax rulings" werden allerdings auch in anderen EU-Staaten erteilt.

   In diesem Punkt gab es laut Diplomaten insbesondere aus den Niederlanden Vorbehalte, auch kleine und mittlere Unternehmen bei der Rückwirkung einzubeziehen. Vereinbart wurde nun, dass bei Firmen bis zu einer Schwelle von 40 Millionen Euro Umsatz nur eine kurze Rückwirkung bis zum 1. April 2016 gilt. Für Holdinggesellschaften von Großunternehmen, wie sie in der LuxLeaks-Affäre eine Rolle spielten, bleibt es aber bei der Rückwirkung von fünf Jahren.

   Aus dem Europaparlament kam umgehend Kritik. Die Grünen sprachen von einem "faulen Kompromiss". Die EU-Kommission als Überwachungsbehörde bekomme zudem nur statistische Daten über die Steuerbescheide, erklärte der Finanzexperte Sven Giegold. "Um Steuerdumping zu entdecken und zu ahnden, muss die EU-Kommission den Inhalt des Steuervorbescheids und den Namen des Unternehmens kennen." Ähnlich äußerte sich der FDP-Abgeordnete Michael Theurer. Er forderte ein Zentralregistrer zu den tax rulings bei der EU-Kommission.

   Die Nichtregierungsorganisation Eurodad erwartete durch die Vereinbarungen keine wirkliche Änderung der Lage. Die Bescheide würden geheim zwischen Steuerbehörden ausgetauscht, sagte Eurodad-Steuerexpertin Tove Ryding AFP. Die Länder könnten gegen besonders strittige Entscheidungen aber nicht vorgehen, sondern nur versuchen, Großunternehmen selbst noch bessere Konditionen zu bieten. "Für uns ist das der Beginn eines Rennens nach unten", sagte Ryding. "Wir glauben nicht, dass multinationale Unternehmen gezwungen werden, viel mehr Steuern in Europa zu zahlen."

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

   DJG/mgo

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   October 06, 2015 09:41 ET (13:41 GMT)- - 09 41 AM EDT 10-06-15

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