21.11.2013 15:08:30

Draghi und Unternehmer applaudieren Deutschland

   Von Hans Bentzien

   EZB-Präsident Mario Draghi hat Italien und Frankreich geraten, ihre Volkswirtschaften nach dem Vorbild Deutschlands zu reformieren. In einer Rede beim Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung verteidigte der EZB-Präsident die Niedrigzinspolitik der EZB auch als Versuch, den Südländern notwendige Anpassungsprozesse zu erleichtern, und legte der Bundesregierung nahe, Voraussetzungen für mehr Investitionen in Deutschland zu schaffen. Bei Vertretern italienischer und französischer Unternehmen rannte Draghi mit seinen Reformforderungen offene Türen ein.

   "Deutschland hat sich in eine Richtung orientiert, von der alle europäischen Länder profitieren könnten - vorausschauend, weltoffen und konzentriert auf Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität", sagte Draghi. Frankreich und Italien hielt der EZB-Präsident die kleineren krisengeplagten Länder des Euroraums als Beispiele vor.

   So hätten die in Anpassungsprogrammen befindlichen Länder ihre Lohnstückkosten seit 2009 gegenüber dem Eurozone-Durchschnitt um 15 Prozent gesenkt und ihre Leistungsbilanzen ausgeglichen - "größere Länder wären gut beraten, diesem Beispiel zu folgen", sagte er.

   Draghi machte klar, dass er es für keine gute Idee hielte, wenn die Anpassungsprozesse in Europa darauf hinausliefen, die Starken schwächer zu machen. Stattdessen müssten die Schwachen stärker werden. Helfen will ihnen die EZB dabei, indem sie die Inflation möglichst dicht bei 2 Prozent hält, denn diese Länder brauchten niedrigere Inflationsraten als der Durchschnitt der Eurozone, erläuterte Draghi. Je niedriger die Inflation im Durchschnitt sei, desto schmerzhafter die Anpassung für die schwächeren Länder.

   Gleichwohl gab es keine Schelte des EZB-Präsidenten für die Exportstärke Deutschlands, lediglich die Mahnung, dass die Regierung mehr Anreize für eine höhere Binnennachfrage setzen sollte. Draghi verwies darauf, dass die Unternehmensinvestitionen in Deutschland derzeit noch unter dem Niveau von 2007 liegen, und sagte: "Höhere Investitionen sind eine Sache des Privatsektors, aber die Behörden müssen für Rahmenbedingungen sorgen, die Investitionen begünstigen.

   Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor in ihrer Rede ihre Entschlossenheit bekräftigt, einige der von Draghi gelobten Reformen zu verteidigen. Zwar sei die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns durch die wahrscheinliche Große Koalition wohl unausweichlich, doch werde sie darauf achten, dass dabei Arbeitsplatzverluste vermieden würden. Zudem werde sie darauf achten, dass die Rente mit 67 "nicht zerlöchert" wird.

   Auch Vertreter großer Europäischer Unternehmen plädierten für Reformen. Jean Lemmiere, der Vorstandsvorsitzende von BNP Paribas, forderte in einer Podiumsdiskussion Italien und Frankreich auf, endlich Reformen zu "liefern". Angesichts ihrer hohen Arbeitslosigkeit stünden diese Länder jetzt "am Scheideweg", sagte er. Der Euro ist für Lemmiere "wie ein schönes deutsches Auto. Es funktioniert, man muss nur wissen, wie man es fährt."

   Deutschland hält der BNP-Chef entgegen einer vielfach gegenteiligen Wahrnehmung zugute, dass es in der Euro-Krise eine Führungsrolle übernommen habe - nicht laut, sondern clever. "Deutschland hat gesagt, das Auto muss repariert werden, das ist nicht leicht, aber wir müssen es tun und wir sagen euch, wie das geht."

   Luca Garavoglia, Chef des Mailänder Spirituosenherstellers Davide Campari, räumte ein, dass das Geschäftsmodell vieler italienischer Unternehmen in der Zeit vor dem Euro auf der wiederholten Abwertung der Lira beruhte. "Vielen war nicht klar, dass dieses Werkzeug verloren gehen würde", sagte er. Der Euro sei "schlecht erklärt" worden.

   Garavoglia sieht das grundsätzliche Problem Italiens darin, "dass Luther vor einigen Jahrhunderten nicht die Alpen überquert hat". Das könne man heute zwar nicht mehr nachholen, aber er hoffe, dass die Italiener ihr politisches Spitzenpersonal künftig nicht mehr nach deren "Charisma", sondern dem "richtigen Hintergrund" auswählen, sagte Garavoglia. Die Ära Berlusconi werde auch aus biologischen Gründen bald zu Ende gehen.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

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