Inflationsziel im Fokus 22.10.2015 16:35:00

Draghi: EZB-Rat prüft Angemessenheit seiner Politik im Dezember

EZB-Präsident Mario Draghi hat die Erwartung einer weiteren geldpolitischen Lockerung im Dezember geschürt. Bei der Pressekonferenz nach der Sitzung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) in Valletta (Malta) sagte Draghi, es habe eine sehr breite Diskussion über alle verfügbaren geldpolitischen Instrumente gegeben. Dazu gehöre auch eine Senkung des bereits negativen Einlagensatzes. Zuvor hatte der EZB-Rat wie erwartet beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu lassen.

Der Euro sank nach dieser Äußerung von 1,13 auf unter 1,12 US-Dollar. Der DAX verdreifachte seine Gewinne und der Bund-Future zog stark an. Draghi sagte, die zuständigen Gremien der EZB seien beauftragt worden, die Vor- und Nachteile der verfügbaren geldpolitischen Instrumente zu prüfen. "Das (eine Senkung des Einlagensatzes) gehört zu den Instrumenten, die diskutiert wurden", sagte er.

Der Einlagensatz liegt bei minus 0,20 Prozent. Das bedeutet, dass Banken für Überschusseinlagen keine Zinsen erhalten, sondern welche zahlen müssen. Im Finanzsektor stößt diese Maßnahme auf große Kritik, vor allem in Deutschland. Bisher hatte Draghi stets betont, dass die Leitzinsen ihre Untergrenze erreicht hätten.

Laut Draghi will der Rat im Dezember prüfen, ob seine Geldpolitik noch ausreichend akkommodierend ist. Der Rat sei willens und in der Lage, alle verfügbaren Instrumente zum Erreichen seines Inflationsziels einzusetzen. Das derzeit laufende Wertpapierankaufprogramm biete genügend Flexibilität.

"Weitere expansive Maßnahmen sind damit vorprogrammiert. Am wahrscheinlichsten ist für uns, dass das Anleihekaufprogramm verlängert wird, ohne dass die EZB ein Enddatum kommunizieren wird", sagte DZ-Bank-Analyst Jan Holthusen. Auch eine Erweiterung des Katalog der kaufbaren Anleihen sei zu erwarten.

Alexander Krüger, der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, prognostizierte: "Im Dezember wird sie das ankündigen und ab Januar wird die EZB mehr kaufen und zwar ohne eine zeitliche Begrenzung."

Ken Wattret von BNP Paribas analysierte: "Die Kommunikation bei dieser Presskonferenz war so dovish, wie sie eben ohne die Ankündigung konkreter Maßnahmen sein konnte. Die Nachricht ist angekommen, wir haben verstanden."

Die nächste EZB-Ratssitzung mit geldpolitischer Beschlussfassung findet am 3. Dezember statt. Das Protokoll der aktuellen Sitzung wird am 19. November veröffentlicht.

Während die EZB mit den Wachstumsaussichten offenbar einigermaßen zufrieden ist, gilt das für die Inflationsaussichten ausdrücklich nicht. Laut Draghi rechnet die EZB damit, dass die Wirtschaft des Euroraums im dritten Quartal in etwa ebenso stark wie im zweiten Quartal gewachsen ist. Das wären 0,3 Prozent.

Die Inflation wird nach seiner Einschätzung zunächst sehr niedrig bleiben und "ab der Jahreswende" steigen. Dieser Anstieg soll sich dann 2016 und 2017 fortsetzen. Dass die niedrige Inflation maßgeblich auf einem niedrigen Ölpreis beruht, will der EZB-Präsident nicht als Grund für Tatenlosigkeit seitens der Zentralbank gelten lassen.

Zum einen wies Draghi auf den offenkundigen Zusammenhang von Ölpreis und Inflationserwartungen hin. Zum anderen erklärte er, dass er den Ölpreisrückgang stärker als bisher für ein Nachfragephänomen halte.

"Bisher haben wir immer gesagt, dass der Ölpreisrückgang ein Angebotsfaktor ist und nur zu einem kleinen Teil nachfragebedingt. Jüngste Analysen zeigen, dass wir da etwas vorsichtiger sein sollten", erläuterte Draghi. Insofern, als die Investitionen der Ölindustrie auf bestimmten Annahmen zur Nachfrage beruhten und sich diese Erwartungen später nicht erfüllten, sei der niedrige Ölpreis auch ein Nachfragefaktor.

Auf der anderen Seite wies der EZB-Präsident darauf hin, dass die mittel- bis langfristigen Erwartungen derzeit in etwa auf dem September-Niveau liegen. "Das gilt sowohl für die markt- als auch für die umfragebasierten Erwartungen", sagte er.

Die aus Swapsätzen ermittelte Inflationserwartung in fünf Jahren für die darauf folgenden fünf Jahre lag zuletzt bei 1,69 Prozent. Das ist weniger als die von der EZB mittelfristig anzustrebenden knapp 2 Prozent, aber mehr als die im Januar dieses Jahres verzeichneten 1,48 Prozent. Die EZB beobachtet die Inflationserwartungen genau, weil sie über Preissetzungsmechanismen Realität werden können.

DJG/hab/smh Dow Jones Newswires

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