04.04.2014 14:54:31

Die riskante Wette der Autoindustrie auf China

   Von Nico Schmidt

   Über den Begriff Heimat lässt sich trefflich diskutieren. Für den Schriftsteller Christian Morgenstern ist man nicht dort daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern da, wo man verstanden wird. Für die deutschen Autobauer ist das zweifelsohne in China der Fall. Nicht umsonst spricht Audis Vertriebschef Luca de Meo mit Blick auf die Volksrepublik von der zweiten Heimat.

   Als Chinas Staatspräsident Xi Jinping vergangene Woche in Berlin Halt machte, traf er viele wichtige und einflussreiche Menschen. Dazu gehörten nicht zuletzt die Lenker der großen deutschen Autobauer. Martin Winterkorn, Dieter Zetsche und andere machten ihm deutlich, wie sehr ihnen China am Herzen liegt - und zwar mit milliardenschweren Investitionszusagen.

   Und das aus gutem Grund: Deutschlands Autoindustrie ist im Reich der Mitte trotz der schwächeren Wirtschaftsdynamik weiter unaufhaltsam auf Wachstumskurs. "China wird als Pkw-Markt immer wichtiger", sagt Peter Fuß von Ernst&Young. Diese Entwicklung hat auch ihre negative Seite: Die Unternehmensberatung AlixPartners spricht beispielsweise von einer "deutlich steigenden Abhängigkeit". Ein Klumpenrisiko mit entsprechenden möglichen Konsequenzen: "Wenn China einen Husten kriegen sollte, bekommen alle eine Lungenentzündung", bringt es Autoexperte Fuß auf den Punkt.

   Neuester Beleg für die zunehmende Abhängigkeit sind die aktuellen Vertriebszahlen von Audi, BMW und Mercedes-Benz: Die Oberklassehersteller steigerten ihre Verkäufe in China erneut deutlich: Der dortige Marktführer aus Ingolstadt legte im ersten Quartal um gut ein Fünftel zu, BMW um ein Viertel. Mercedes wuchs sogar um fast die Hälfte.

   Und das hievte auch die weltweiten Vertriebszahlen auf neue Allzeithochs: Die Daimler-Tochter Mercedes beispielsweise erlebte auch auf globaler Ebene das stärkste Auftaktvierteljahr der Unternehmensgeschichte - hauptsächlich gespeist durch das dicke Plus in der Volksrepublik.

   "Wir sind in China inzwischen tief verwurzelt", sagte Zetsche beim Besuch des chinesischen Staatsoberhauptes vergangene Woche. Der Automobilmarkt des Landes habe weiterhin großes Potenzial, an dem Mercedes-Benz teilhaben wolle.

   Wie tief die Wurzeln mittlerweile reichen, zeigt eine Studie von Ernst&Young. Ging im Jahr 2008 noch etwa jeder achte von einem deutschen Autobauer verkaufte Wagen an einen Chinesen, war es 2010 schon mehr als jeder fünfte. Im vergangenen Jahr stand die Volksrepublik dann schon für 28 Prozent der gesamten deutschen Verkäufe.

   Am stärksten setzt Volkswagen auf China: Fast ein Drittel der insgesamt weltweit gut 9,7 Millionen verkauften Autos wurden 2013 in China abgesetzt. Die Volksrepublik ist für die Niedersachsen, die mittlerweile mehr als ein Dutzend Werke vor Ort haben, damit der mit Abstand größte und wichtigste Einzelmarkt überhaupt geworden. Laut einer aktuellen Analyse von Euler Hermes sind die deutschen Autobauer im Allgemeinen klar führend dort.

   Der chinesische Markt entwickelt sich - speziell für die deutschen (Premium-)Autobauer - deutlich besser als die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt insgesamt. Deren Dynamik hat in letzter Zeit merklich nachgelassen: Nachdem die chinesische Wirtschaft mit einem Wachstum von "nur" 7,7 Prozent bereits im vergangenen Jahr schwächer als davor entwickelt hatte, peilt die Regierung in diesem Jahr ein Plus von 7,5 Prozent an.

   Viele Ökonomen halten es aber für möglich, dass dieses Ziel verfehlt wird. Denn die Wirtschaftsdaten für das erste Quartal sind bislang enttäuschend ausgefallen, was Peking dazu bemüßigte, ein zumindest kleines Konjunkturpaket zu schnüren.

   Solche Enttäuschungen sind es, die Branchenexperten wie Fuß vorsichtig auf China schauen lassen. Aktuell scheint die Gefahr allerdings überschaubar zu sein. Denn einerseits können alle anderen Volkswirtschaften nach wie vor nur von Wachstumsraten jenseits der Marke von 5 Prozent träumen, was per se auch die Autoverkäufe stützt. Zum anderen besitzt laut einer aktuellen Euler-Hermes-Studie nach wie vor nur jeder zwanzigste der rund 1,3 Milliarden Chinesen ein Auto. In höher entwickelten Volkswirtschaften sind es meist fast 60 Prozent, in den USA beispielsweise gar über 80 Prozent.

   Und es gibt weitere Gründe, für Deutschlands Autobauer, sich gut mit den Chinesen zu stellen. "Autos sind in China ein wichtiges Statussymbol", sagt Euler-Hermes-Vorstand Ulrich Nöthel. "Wer ein Auto hat, hat den sozialen Aufstieg geschafft, je luxuriöser, desto besser. Wohlhabende Chinesen zögern also nicht beim Erwerb von teuren Modellen und umfangreicher Sonderausstattung." China sei daher der weltweit profitabelste Markt und alleine deshalb "extrem verlockend" für Automobilhersteller.

   Kontakt zum Autor: nico.schmidt@wsj.com

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   April 04, 2014 08:22 ET (12:22 GMT)

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