14.10.2014 14:00:30
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Die EZB und ihre Kritiker treffen sich vor Gericht
Von Matthew Dalton
LUXEMBURG--Unter welchen Umständen darf die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen kaufen? Diese Frage beschäftigt derzeit nicht nur Marktteilnehmer und Ökonomen. Während die Inflation immer neue Tiefstände verzeichnet und Spekulationen über groß angelegte Staatsanleihekäufe der EZB ins Kraut schießen, hat sich nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) des Themas angenommen.
Auf Antrag des Bundesverfassungsgerichts soll er die Frage klären, ob ein vor zwei Jahren abgegebenes Versprechen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen eines Eurozonen-Landes aufzukaufen, dessen Zinsen die EZB für zu hoch hält, rechtmäßig ist. Oder besser gesagt: Er soll Vorschläge machen, wie die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Europarechtswidrigkeit beseitigt werden könnte.
Die Emotionen darüber gehen hoch - vor allem in Deutschland. Aber auch Erklärungen der italienischen und spanischen Regierung zu dem Thema lassen eine gewisse Schärfe erkennen. Es geht um die Frage, wie viel Handlungsspielraum eine Zentralbank hat, hinter der kein homogener Nationalstaat steht. Das Urteil, das erst für nächstes Jahr erwartet wird, dürfte Rückwirkungen auf aktuelle Diskussionen über solche Wertpapierkäufe durch die EZB haben.
Am Dienstag trafen vor den Schranken des EuGH in Luxemburg die Anwälte der EZB und die ihrer deutschen Kritiker aufeinander, die bereits mit Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die so genannten Outright Monetary Transactions (OMT) geklagt hatten. Unter ihnen sind der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) und der Euro-Kritiker Roman Huber. Sie sagen, das OMT-Programm verletze europäisches Recht. Denn das sehe lediglich vor, dass die EZB für Preisstabilität sorgen solle.
Die Absenkung von Staatsanleiherenditen dagegen sei Wirtschaftspolitik, und die falle nicht unter das EZB-Mandat. Auch das Bundesverfassungsgericht betrachtet das OMT-Versprechen als rechtswidrig. Es will aber dem EuGH die Chance geben, die Pläne der EZB zu überprüfen und möglicherweise zu korrigieren. Am Dienstag lauschten die versammelten Juristen aufmerksam den Argumenten der jeweiligen Gegenseite.
Im Juli 2012 war die Lage im Euroraum höchst explosiv gewesen. Italiens Staatsanleiherenditen waren so stark gestiegen, dass eine dauerhafte Finanzierung auf diesem Niveau ausgeschlossen schien. Weltweit machten Spekulationen über ein Auseinanderbrechen der Eurozone die Runde. "Wir näherten uns immer mehr einer Krise", sagte Hans-Georg Kamann, der die EZB in Luxemburg vertritt. "Der befürchtete Zusammenbruch drohte zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden."
In dieser Situation versprach EZB-Präsident Mario Draghi: "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Bestand des Euro zu sichern." Kurze Zeit später beschloss der EZB-Rat das OMT-Programm, das Staaten unbegrenzte Staatsanleihekäufe in Aussicht stellt, deren Zinsen aus Sicht der EZB zu hoch waren, weil die Finanzmärkte auf einen unfreiwilligen Austritt des Landes aus dem Euro spekulierten.
Die deutschen Kläger sagen: Ein Ankauf großer Mengen Staatsanleihen kommt einer Staatsfinanzierung mit der Notenpresse gleich, und die ist verboten. Letzten Endes gehe es beim OMT-Programm um Wirtschaftspolitik. "Das gilt auch für andere aktuelle EZB-Maßnahmen, die wahrscheinlich ebenfalls gesetzwidrig sind", sagt Bernhard Kempen, der Anwalt des Klägers Roman Huber.
Worauf er sich bezieht, ist das gerade beschlossene Programm zum Ankauf privater Wertpapiere, mit dem die EZB Kreditvergabe und Inflation ankurbeln will. Derzeit liegt das Volumen der Unternehmenskredite unter Vorjahresniveau und die Inflationsrate bei 0,3 Prozent. Das mittelfristige Ziel der EZB sind knapp 2 Prozent Inflation. Was Kritiker besonders erbittert: EZB-Chef Draghi schließt auch groß angelegte Staatsanleihekäufe nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen.
Nach Aussage von EZB-Anwalt Kamann zielt die EZB mit ihrem OMT-Programm nicht auf die Refinanzierungskosten der Regierungen, sondern nur auf jenen Teil der überhöhten Staatsanleihezinsen, die nicht fundamental erklärbar sind. "Indem sie das tut, trägt sie zum Erreichen ihres Preisstabilitätsmandats bei", sagte er.
Bisher ist das OMT-Programm nicht aktiviert werden - das war gar nicht nötig. Das Versprechen der EZB reichte aus, die Staatsanleiherenditen deutlich fallen zu lassen. Und Ulrich Häde, der die Bundesregierung vor dem EuGH vertritt, meint, dass da gar nichts ist, wogegen das Gericht vorgehen müsste. Denn bisher sei das OMT-Programm nur eine Presseerklärung. "Juristisch gesprochen, kann eine Presseerklärung nicht gültig oder ungültig sein", sagte er.
Die Verhandlung wird am Nachmittag fortgesetzt.
(Mitarbeit: Hans Bentzien)
Kontakt zum Autor: Konjunktur.de@dowjones.com
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October 14, 2014 07:37 ET (11:37 GMT)
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