16.09.2014 20:10:34

Deutsche Sparer fliehen zu ausländischen Banken

   Von Eyk Henning

   Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank treibt deutsche Sparer weg von heimischen Banken. Weil Tages- und Festgeld in Deutschland kaum noch Zinsen abwerfen, legen Deutsche Milliardensummen auf höher verzinsten ausländischen Sparkonten an.

   Seit 2010 sind die Einlagen deutscher Haushalte bei in Deutschland tätigen Auslandsbanken um 80 Prozent auf 190 Milliarden Euro gesprungen, wie Daten der Bundesbank zeigen.

   Das meiste Geld ziehen Banken aus den Niederlanden an, allen voran die ING Groep. Aber auch Institute aus Problemmärkten wie Portugal oder Russland, wo die wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Zinsen nach oben getrieben haben, bekommen einen Teil vom Kuchen ab. Weltsparen.de, ein Internet-Start-up, vermarktet die Hochzinskonten im Ausland besonders aggressiv.

   Ende Juli hatten die Deutschen 20 Prozent ihrer Spareinlagen bei Auslandsbanken angelegt. 2010, auf dem Höhepunkt der Staats- und Schuldenkrise in Europa, hatte dieser Wert lediglich bei 15 Prozent gelegen.

   Christian Vahland, ein Chemielaborant, hat im März 10.000 Euro für ein Jahr auf einem Festgeldkonto der bulgarischen Bank Fibank angelegt: "Sie haben die höchsten Zinsen geboten", sagt Vahland, der sich selbst als "Zinshüpfer" bezeichnet - mit Konten bei diversen Onlinebanken.

   Ein Fokus auf hohe Zinsen war in Deutschland lange unüblich, erst Recht nach der Pleite der isländischen Kaupthing Bank im Jahr 2008, bei der Tausende Deutsche Geld angelegt hatten. Doch nach Jahren dürftiger Erträge denken viele Sparer um. Und Prämien wie die 100 Euro, die etwa die Commerzbank neuen Kunden bietet, sind nicht allen genug.

   Ausländische Banken profitieren vom Zinsleid der Deutschen

   Im Juli lag der Durchschnittszins für einjährige Festgeldanlagen in Deutschland laut Bundesbank auf einem Rekordtief von 0,5 Prozent. Der Durchschnitt in der Eurozone lag bei 1,32 Prozent. Bei einer Inflationsrate von 0,6 Prozent in Deutschland verloren die Bankkunden auf den meisten Sparkonten effektiv Geld. Und dieses Ungleichgewicht ist seit 2010 Dauerzustand.

   Für ausländische Banken birgt das Zinsleid der Deutschen gute Geschäftschancen - in einer Zeit, in der Regulierer sie anhalten, mehr Einlagen anzuwerben. Die holländische Rabobank hat in zwei Jahren über ihre deutsche Online-Tochter 7,6 Milliarden Euro an Einlagen angeworben, sagt ein Sprecher. Auf Konten der deutschen ING-Tochter ING Diba liegen derzeit fast 100 Milliarden Euro. Für niederländische und andere europäische Banken ist der deutsche Markt nicht nur wegen seiner Größe attraktiv, sondern auch, weil sie hier weniger für Guthaben zahlen müssen als zu Hause.

   Für russische Banken ist der deutsche Markt noch aus einem anderen Grund reizvoll: Er bietet Zugang zu Finanzierungen in Euro, sagt Michael Krautzberger, Leiter des europäischen Anleiheteams beim Vermögensverwalter Blackrock. Für einjährige Spareinlagen haben sie zuletzt 1,4 Prozent Zins geboten - mehr als der Eurozonen-Durchschnitt.

   Ob ihnen dieser Weg auch künftig offensteht, ist unklar. Zu den führenden russischen Anbietern in Deutschland gehören die beiden größten staatlich kontrollierten Banken Sberbank und VTB. Beide Institute sind Ziel der Sanktionen der USA und Europas. Da beide hierzulande jedoch mit deutscher oder österreichischer Bankenlizenz agieren, sind sie aktuell nicht von den Sanktionen betroffen. Die Sberbank wirbt in Deutschland auch über ihre türkische Tochter Denizbank Gelder ein.

   Weltsparen für renditehungrige Sparer

   Selbst Banken, die in Deutschland weder über Filialen noch über ein Online-Geschäft verfügen, können inzwischen renditehungrige deutsche Sparer anlocken. Sie bedienen sich dabei bei Weltsparen: Das Start-up bietet Sparern Kontoeröffnungen bei ausländischen Banken mit minimalem Papierkram - und komplett auf Deutsch. Im Dezember ist die Seite weltsparen.de an den Start gegangen. Seither hätten 5.000 Deutsche sie genutzt, um Geld in Bulgarien, Polen oder Norwegen zu parken, sagt Vorstandschef Tamaz Georgadze.

   Weltsparen macht sich die Regeln der Europäischen Union zunutze. Diese sehen vor, dass jede Bank innerhalb der EU mit jedem EU-Bürger Geschäfte machen darf - eine Möglichkeit, von der viele allerdings keinen Gebrauch machen.

   "Ich bin durch Europa gereist und habe gesehen, dass es fast überall höhere Zinsen für heimische Sparer gibt als in Deutschland. Da dachte ich, das ist eine riesige Gelegenheit", sagt Georgadze. Vor Jahresende will er auch britische Konten anbieten, bis Sommer nächsten Jahres soll die Seite für Europäer außerhalb Deutschlands geöffnet werden.

   Bulgarien und Polen haben zwar nicht den Euro, die Banken dort bieten jedoch Konten in Euro an. Auf diese verlinkt Weltsparen und nimmt deutschen Kunden so das Währungsrisiko. Norwegische Konten dagegen werden in Kronen geführt, deren Volatilität den Zinsvorteil überwiegen könnte, sagt Krautzberger von Blackrock.

   Obwohl Weltsparen noch klein ist, hat es die Aufmerksamkeit der deutschen Banken erregt: "Wir haben von dem Angebot Notiz genommen", sagt Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes deutscher Volks- und Raiffeisenbanken. Die deutschen Sparer hätten erkannt, dass höhere Renditen auch höhere Risiken bergen, meint er.

   Für viele Deutsche sind es denn auch die Erinnerungen an die Bankenpleiten in Zypern und Island, die sie vorsichtig stimmen. Um ihnen die Bedenken zu nehmen, erinnern die Auslandsbanken daran, dass unter EU-Gesetz Spareinlagen bis zu 100.000 Euro durch eine staatliche Garantie geschützt sind.

   Auf dem Höhepunkt der Eurokrise in Zypern im März 2013 dachten Politiker allerdings darüber nach, einen Teil der Sparguthaben kleiner privater Kunden abzuschreiben. Und als Banken aus Island, das nicht Mitglied der EU ist, im Jahr 2008 Pleite gingen, wurden britische und niederländische Sparer von ihren eigenen Regierungen vor Verlusten gerettet.

   Auch die Kunden von Weltsparen durchlebten in den vergangenen Monaten brenzlige Situationen. Das Unternehmen hatte viele Spargelder bei der portugiesischen Banco Espírito Santo angelegt, die im Sommer kurz vor der Pleite stand. Weltsparen stellte es seinen Kunden frei, ihr Geld abzuziehen oder dieses auf eine neue portugiesische Bank zu übertragen. Laut Georgadze haben nur 5 Prozent der Kunden mit Konten bei Espirito Santo die Option des Rückzugs gewählt.

   Im Juni verschickten Hacker E-Mails, die aussahen, als stammten sie von der Fibank. Darin wurde fälschlicherweise davor gewarnt, dass Bulgariens drittgrößte Bank vor der Pleite stehe. Binnen Stunden hätten Kunden 400 Millionen Euro abgezogen, teilte die Fibank damals mit. Die EU musste Bulgariens Zentralbank zur Seite springen, um den Ansturm auf die Bank zu meistern.

   Weltsparen-Kunde Vahland berichtet, er habe damals überlegt, sein Konto bei der Fibank zu schließen, habe sich aber dagegen entschieden. "Ich habe der Einlagensicherung vertraut", sagt er zur Erklärung.

   Kontakt zum Autor: eyk.henning@wsj.com

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   September 16, 2014 13:40 ET (17:40 GMT)

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