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20.04.2014 16:34:30

Daimlers Kampf um die Gunst der Chinesen

   Von Ilka Kopplin

   So mancher Manager würde sich solch eine Bilanz wünschen: Ein Absatzplus von 50 Prozent erzielte Daimlers Pkw-Tochter Mercedes-Benz im Auftaktquartal im Reich der Mitte. Der für China verantwortliche Vorstand Hubertus Troska macht seinen Job erst seit knapp eineinhalb Jahren und dürfte sich deshalb besonders über die krassen Wachstumsraten freuen.

   Dabei hatte er noch Ende letzten Jahres kräftig auf die Bremse getreten und die Erwartungen gedämpft: 2014 gehe es in China um den Profit. "Echte Volumina kommen in 2015", kündigte er damals mit Nachdruck an. Man wolle die Autos nicht "mit viel Druck" in den Markt bringen, sondern setze auf die richtige "Wertpositionierung".

   Doch derzeit verzeichnen die Schwaben monatlich ein zweistelliges Absatzplus, alle Zeichen stehen auf Wachstum. Angesichts solch guter Ergebnisse zweifelt so mancher an Troskas Aussage aus dem Dezember. Stapeln die Schwaben bewusst so tief? Trotz einiger Aufgaben, die die Stuttgarter noch zu bewältigen haben, sehen Branchenexperten für die kommenden Monate durchaus noch viel Luft nach oben.

   Denn die S-Klasse, die in China erst seit vergangenem Herbst verkauft wird, geht in diesem Jahr erstmals voll in die Bücher ein. Gleiches gilt für die neue modellgepflegte E-Klasse. Im zweiten Halbjahr folgt in China der Markteintritt des Brot- und Butter-Modells C-Klasse als Langversion, das für weiteren Schub sorgen sollte. Das Wachstum wird deshalb im Vergleich zu Konkurrenz "überdurchschnittlich" ausfallen, glaubt Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Bergisch-Gladbach. Jürgen Pieper vom Bankhaus Lampe nennt sogar konkrete Zahlen: "Ich erwarte mindestens 20 Prozent Wachstum, eher sogar 25 oder 30 Prozent." Das wären umgerechnet mehr als 300.000 Fahrzeuge - eine Marke, die eigentlich erst Mitte des Jahrzehnts geknackt werden sollte.

   Aktuell wachse man schneller als der Markt, was sehr erfreulich sei, sagt auch Troska auf Anfrage des Wall Street Journal Deutschland. "China kann bereits 2015 der größte Einzelmarkt für Mercedes-Benz werden", sagte er. China würde damit die USA als Nummer eins ablösen. An der Zielvorgabe will er dennoch nicht rütteln." Es gilt: In 2015 wollen wir in China über 300.000 Autos der Marke Mercedes-Benz verkaufen." Man sei auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen, betont er.

   Warum die Zurückhaltung aus Stuttgart? Wahrscheinlich ist das Management mit Blick auf die vergangenen Jahre vorsichtig geworden und will deshalb "lieber etwas tiefer stapeln", glaubt Auto-Professor Bratzel . Denn vor rund eineinhalb Jahren sah die Lage noch ganz anders aus. Ineffiziente Vertriebsstrukturen, eine veraltete Modellpalette und nicht zuletzt das fehlende kulturelle Fingerspitzengefühl hatten die Schwaben auf dem chinesischen Markt weit hinterherhinken lassen.

   Dann wurde Troska zum regionalen Vorstand ernannt. Er restrukturierte die lokalen Absatzkanäle, stampfte neue Händlerbetriebe aus dem Boden und sorgte mit seiner Position auf Vorstandsebene auch außerhalb des Dax-Konzerns für die nötige Präsenz. Analyst Pieper könnte sich deshalb vorstellen, dass auch Daimler vom eigenen Erfolg überrascht worden ist. "Ich glaube schon, dass man deutlich mehr erreicht hat als man erwartet hat. 2014 hat sich schon eine ganze Menge in die richtige Richtung entwickelt", findet er lobende Worte.

   Für Daimlers Pkw-Sparte sind solche Erfolge jedoch auch dringend nötig, wenn der Stuttgarter Autobauer bis 2020 der größte Premiumhersteller der Welt werden will. "Die Aufholjagd zu Audi und BMW ist nur möglich, wenn Mercedes-Benz in China performt", betont Bratzel. Denn der chinesische Markt gilt vor allem unter den Premiumbauern als El Dorado. "Das Auto spielt dort als Statussymbol eine enorm wichtige Rolle. Die Chinesen wollen zeigen, was sie haben", erklärt Bratzel. Denn am liebsten kauft der betuchte Chinese eine hochmotorisierte Limousine mit teurer Sonderausstattung - sehr zur Freude deutscher Luxusautobauer. Nicht ohne Grund arbeitet auch die Konkurrenz aus Bayern am nächsten Modell der absoluten Oberklasse.

   Weil Mercedes mit der neuen Modellpalette offenbar den Geschmack der Chinesen nach Luxus und Protz trifft, ist es kein Wunder, dass sich auch die viel beschworene Marge deutlich verbessert haben dürfte. In einer aktuellen Studie der Analysten von JP Morgan heißt es, dass Daimler in China die Preise bestimmt - über die neue S-Klasse. Denn die Wettbewerber müssen ihre vergleichsweise alten Modelle A 8 und 7er BMW mit Rabatten in den Markt drücken, um sie noch loszuschlagen. Das gehe zu Lasten des Profits, heißt es.

   Ähnlich erklärt auch Troska die derzeitige Verkaufslage."Ein Beispiel: Mit der modellgepflegten E-Klasse haben wir in China genau das erreicht, was wir uns vorgenommen hatten: Das Modell verkauft sich sehr gut - deutlich stärker als vor einem Jahr und das bei deutlich stabileren Preisen". Bei der S-Klasse komme man mit der Produktion gar nicht so schnell nach. Von zweistelligen Rabatten, wie sie mitunter bei dem Vorgängermodell der E-Klasse in China gewährt wurden, ist keine Spur mehr.

   Einige Baustellen hat Troska also aufgelöst. Doch ausruhen können sich die Schwaben deshalb noch nicht. Als nächstes steht der Ausbau des Händlernetzes an."Wir haben noch viel vor; alleine dieses Jahr wollen wir mehr als 100 neue Händlerbetriebe ans Netz bringen, in weiteren 40 neuen Städten", blickt der China-Vorstand auf die kommenden Monate. Damit wären es am Ende des Jahres insgesamt rund 400 Filialen. Zum Vergleich: VW-Tochter Audi hat aktuell rund 340 Händlerbetriebe vor Ort und eröffnet durchschnittlich jede Woche einen weiteren Standort. BMW verkauft schon jetzt in über 420 BMW- und weiteren knapp 100 Mini-Filialen seine Modelle und baut das Netz ebenso stetig weiter aus.

   Branchenbeobachter wie Analyst Pieper sehen zudem noch Aufholbedarf beim Marktanteil. Einer der Gründe, warum Daimler beim Marktanteil noch hinterherhinkt: Die Schwaben sind erst viel später mit lokaler Produktion an den Start gegangen, die aber angesichts hoher Transportkosten, Zölle, Währungseffekten und langer Lieferzeiten ab einer bestimmten Marktgröße unumgänglich ist.

   Für eine lokale Fertigung braucht es in China zwingend die Kooperation mit einem heimischen Partnerunternehmen. Und da brauchten die Stuttgarter länger als die Mitbewerber. Audi und Joint-Venture-Partner FAW arbeiten bereits seit 1991 zusammen, noch Mitte der 1990er Jahre lief das erste Audi-Modell aus chinesischer Produktion vom Band. BMW folgte mit Kooperationspartner Brilliance Anfang des Jahrtausends. Mercedes-Benz baut gemeinsam mit BAIC seit nicht einmal zehn Jahren gemeinsam Autos. Das lässt sich auch an den Absatzzahlen des vergangenen Jahres sehen: Audi verkaufte rund 492.000 Autos, BMW etwa 100.000 weniger als die Ingolstädter. Mercedes-Benz verzeichnete zwar auch ein Plus, kam aber nur auf 240.000 Pkw.

   Die Konkurrenz dürfte in China also noch eine Weile die Nase vorn haben. Doch auch die größten Kritiker müssen anerkennen, dass den Stuttgartern innerhalb nur eines Jahres viel gelungen ist und sie jetzt beginnen, die Früchte zu ernten. Sollte Mercedes-Benz in China weiter so gut vorankommen, dann dürfte laut Auto-Professor Bratzel ein großes Ziel in greifbare Nähe rücken: Weltweit die Nummer 2 unter den Premiumherstellern zu werden. "Ich glaube, die Chancen stehen sehr gut, dass die Schwaben Audi sehr nahe kommen oder sogar überholen", das stehe und falle mit dem Fortschritt in China.

   Dann würde Hubertus Troska im übrigen auch seinem Namen Tang Shikai, unter dem er in China bekannt ist, alle Ehre machen. Übersetzt bedeutet er: "Der in China Erfolg haben wird".

   Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de

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