Transferunion? 22.11.2016 12:52:41

Chefvolkswirt der DZ Bank warnt vor neuer Eurokrise

"Wenn die strukturellen Ungleichgewichte künftig nicht ausgeglichen werden, dann sehe ich uns schon in eine neue Eurokrise gelangen", sagte Stefan Bielmeier am Dienstag in Frankfurt. Diese drohe zwar nicht sofort, womöglich aber ab dem Jahr 2018 oder 2019. "Dann werden wir vor der Frage stehen: Gehen wir stärker in eine Transferunion oder lösen wir die strukturellen Probleme?"

Die Eurozone hat seit Jahren mit großen strukturellen Ungleichgewichten zu kämpfen. Einige Länder wie Deutschland sind wirtschaftlich robust und exportieren viel mehr Güter in andere Euro-Länder als sie von dort importieren. Viele Ökonomen machen dafür strukturelle Probleme in Krisenländern etwa am Arbeitsmarkt verantwortlich. Andere machen dafür eher eine zu zurückhaltende Lohn- und Fiskalpolitik in Ländern wie Deutschland verantwortlich.

Bielmeier macht derzeit zusätzlich politische Risiken aus. In diesem und dem kommenden Jahr stehen Wahlen in Deutschland, Österreich, Frankreich und den Niederlanden an. Zudem drohen Neuwahlen in Italien, wenn Regierungschef Matteo Renzi im Dezember mit einem Verfassungsreferendum scheitern sollte. Derzeit würden die Probleme im Euroraum durch die lockere Geldpolitik überdeckt, so Bielmeier. Sobald die Europäische Zentralbank (EZB) aber die Zügel wieder straffer ziehe, könnten die Probleme stärker sichtbar werden. Dann könnten auch die Renditen von Staatsanleihen in Krisenländern weiter steigen.

Zinserhöhungen durch die EZB sind nach Einschätzung des Chefvolkswirts zwar vorerst "definitiv" ausgeschlossen. Ab kommenden Sommer dürfte aber die Diskussion um eine Reduzierung der EZB-Wertpapierkäufe beginnen, sagte der Ökonom. Derzeit kauft die EZB monatlich Wertpapiere im Volumen von durchschnittlich 80 Milliarden Euro. Das Programm soll noch bis mindestens März 2017 laufen.

Höhere Staatsausgaben in Deutschland seien kein geeignetes Mittel, um den strukturellen Ungleichgewichten im Euroraum zu begegnen, sagte Bielmeier. Die Ausstrahleffekte auf andere Euro-Länder wären demnach gering. Zudem habe Deutschland aufgrund seiner robusten wirtschaftlichen Lage derzeit ein Konjunkturprogramm nicht nötig.

FRANKFURT (dpa-AFX)

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